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Artikel vom 02.01.2018

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Légion d’honneur

Tomi Ungerer wird Commandeur der Ehrenlegion

Auch die «Gomfi»-Queen, die Confituren-Köchin Christine Ferber in Niedermohrschwihr (Oberelsass), ist mit zehn anderen Elsässern zur Ehrenlegion berufen worden

Von Jürg-Peter Lienhard



Tomi Ungerer amSockel des Strassburger-Denkmals in Basel (aufgenommen September 1983 von © foto@jplienhard.ch 2018, Beleg aus «Aargauer Tagblatt»).


Am 1. Januar werden in Frankreich vom Innenministerium traditionell die neu ernannten Commandeure, Officiers und Chevaliers (Mitglieder) der Ehrenlegion bekanntgegeben. Unter den vielen Offizieren und Chevaliers sind ein gutes Dutzend Elsässerinnen und Elsässer. Allen voran der weltbekannte Illustrator Tomi Ungerer aus Strassburg, der den seltenen unter den Titeln der Ehren-Legionäre als Commandeur und im rüstigen Alter von 86 Jahren erhalten hat. Seine Illustrationen und Karikaturen ätzen wie stets und sprühen ungebremst jugendlich vor Einfällen. Für mehr hier klicken:

Vorab: Auch in unserer Region, zumal im Sundgauer Jura, in Alt-Pfirt (Vieux-Ferrette), gibt es einen fast ebenso weltbekannten Ritter der Ehrenlegion: Der stets bescheiden und mit einem feinsinnigen Humor ausgestattete «Sundgauer Käskönig» Bernard Antony - siehe Direktlink von der Verleihung des Ehrentitels an Bernard Antony am Schluss.

Ja, auch Tomi Ungerer ist mit Basel eng verbunden: So zuerst mit vielen Zeichnungen, Illustrationen, Karikaturen und Cartoons im Cartoon-Museum von Basel. Dann war er im September 1983 in Basel mit einem bedeutenden Preis einer Stiftung für europäische kulturelle Zusammenarbeit ausgezeichnet worden. Diese Stiftung war allerdings wegen der Vergangenheit des Stifters im Deutschen Reich später in Kritik geraten, weshalb ich den Schleier des Vergessens über diesen Anlass und dessen Stifter lege.

Tomi Ungerer liess sich in Zusammenhang mit dieser Preisverleihung von mir am Sockel des Basler Strassburger-Denkmals fotografieren. Das Porträt vom selben Ort zierte auf Wunsch Tomis während langen Jahren obligatorisch den Klappentext sämtlicher Buchveröffentlichungen und sämtlicher Kataloge des Diogenes-Verlages. Anstelle eines Honorars schickte mir Tomi eine witzige Zeichnung. Und für die von mir im Theater Basel produzierte Aufführung der Brecht’schen «Kleinbürgerhochzeit» in elsässischer Sprache, übersetzt vom kongenialen Strassburger Kabarettisten Germain Muller (ehedem auch Mitarbeiter am Radio-Studio Basel und als Kolumnist der damaligen Basler National-Zeitung), entwarf er das Plakat und signierte eine Sonder-Edition auch gleich handschriftlich. Ironie der Geschichte: Zur Premiere offerierte der «Sundgauer Käskönig» Bernard Anthony aus Vieux-Ferrette ein Gala-Käsebüffet. Alte Theater-Mitarbeiter erinnern sich noch heute mit «Genuss», dass die heiligen Theater-Hallen noch Tage nach der Premiere den wohlriechenden Duft der Anthony’schen Käseköstlichkeiten gefangen hielten…

Zwar wurde Tomi Ungerer erst 2001 in den Ritterstand der Ehrenlegion erhoben, doch dass er nun nach so langer Zeit erst zum selten verliehenen Commandeur ernannt wurde, hat eben mit der Wahrnehmung von «Paris» zu tun. Denn Tomi ist im deutschsprachigen Raum, zumal in Deutschland, sowie in der ganzen Welt, von Japan über den Iran bis in die USA bekannt, respektive wird er mehr wahrgenommen als im Etepetete-Paris, wo man sich sowieso für den Nabel der Welt hält. Und sich daher auch keine Mühe gibt, seine Nase über die Chanel-Puderdose hinauszustrecken, zumal ja das Elsass im beschränkten kosmopolitischen Bewusstsein der Innerfranzosen halt eben immer noch «deutsch» ist. (Derweil ja Paris stets nordafrikanischer wird…).

Und vielleicht auch deswegen, weil Tomi seine gigantische Sammlung an Zeichnungen, Kunstwerken und Spielzeugen seiner Heimatstadt Strassburg und nicht Paris vermacht hat - siehe Direktlink am Schluss. Das Tomi-Ungerer Museum ist denn in Strassburg eine der Hauptattraktionen in der dortigen Museumslandschaft, weil es einen zeitgenössischen Spiegel der Gesellschaft ist und museumsdidaktisch unglaublich spannend eingerichtet ist. Notabene am ehemaligen «Kaiserplatz» aus der deutschen Zeit und einen Steinwurf entfernt vom Europaparlament. Das durfte man nun in «Paris» nicht mehr länger schnöde übersehen.



Tomi Ungerer in einer - in zwischen geschloseenen - Galerie in Strassburg. Aufgenommen 1987 von: © foto@jplienhard.ch 2018


Der 1931 in Strassburg geborene Tomi Ungerer - zurzeit läuft am Theater Basel das Stück «Die drei Räuber», das als Vorlage das Märchenbuch gleichen Namens hat und mit denselben Kostümen ausgestattet ist, wie sie der Zeichner Ungerer entwarf - begann seine Karriere zuerst in Colmar. In Colmar imponierten ihn die weltberühmten Altartafeln von Mathias Grünewald im vor zwei Jahren von Herzog & De Meuron erweiterten Unterlinden-Museum, zumal er als Knabe auf dem Museums-Vorplatz auf den Bus warten musste und sich zum Zeitvertreib intensiv mit diesen «Comix»-Bildern beschäftigte. Der Renaissance-Künstler Grünewald wurde so gewissermassen der Lehrmeister Ungerers, der sofort aus den plakativ gestalteten Darstellungen neutestamentarischer Geschichte deren versteckte Botschaften des aufgeklärten Künstlers zu lesen verstand und sie so zu seiner Bildsprache in seinen späteren Werken so wunderbar treffend einbringen konnte.

Anekdotisch erzählte Ungerer später, dass er vor den Gruselfiguren auf der Tafel mit der Verführung des hl. Antonius stets angstvoll davorstand. Als er jedoch in die Pubertät kam, fragte er sich, warum denn der Heilige mit solch widerlichen Gesellen und abscheulichem Gefleuche verführt werden sollte, und erkannte, dass auf der Tafel eben keine weibliche Scham dargestellt werden konnte… Fortan spielte er oft mit diesem Thema und jagte den Bigotten und Scheinheiligen die Schamröte ins Gesicht, womit sie sich in ihren entrüsteten Demarchen erst recht entblössten und darum den verdienten Spott ernteten… Zumal, wenn sie seine weltberühmten Bücher für Kinder damit diskreditieren wollten.



Einziges von Tomi Ungerer autorisiertes Porträt in vielen Publikationen, aufgenommen von © foto@jplienhard.ch 2018


Die neuen Offiziere und Ritter

Bei den zehn anderen Personen, die mit der Ehrenlegion ausgezeichnet wurden, handelt sich sich um die Officiers Manou Heitzmann-Massenez, kaufmännische Direktorin einer Distillerie und Präsidentin einer Berufs-Körperschaft; José Sahel, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Professor für Augenheilkunde an der Universität Pierre-et-Marie-Curie, Paris 6, und ehemaliger Direktor des Instituts für Augenheilkunde in Strassburg.

Als Chevaliers wurden ernannt: Christine Ferber, Pâtisserie-, Chocolaterie- und Confiturerie-Kunsthandwerkerin, Niedermohrschwihr dans la plaine; Catherine Florentz, Universitäts-Professorin in Biochemie und Molekular-Biologie, beauftragte Vizepräsidentin für Forschung und Doktorats-Ausbildung an der Uni Strassburg; Marta Grabocz, Universitäts-Professorin in Musikologie an der Uni Strassburg; Laurent Grégoire, interregionaler Direktor für juristischen Jugendschutz im Département Grand-Est; Christophe Kieffer, Kabinetts-Direktor des Präsidenten des Conseil Régional du Grand-Est; Cahterine Lathelier-Lombard, Präsidentin des Appellations-Gerichtshofes Colmar; Patricia Rohner-Hégé, Vizepräsidentin der Union der protestantischen Kirchgemeinden Elsass und Lothringen.

(Verwendung der vollständigen Namenliste m.f.G. Journal l’Alsace, 1.1.2018)



Der Zwei-Eier-Mann… Zeichnung, Tomi Ungerer

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Antony lüftet sein Geheimnis!

• Tomi-Ungerer-Museum: Eine Idee pro Minute

• Die Drei Räuber - Wettbewerb für Kinder

• Das Resultat des «Räuber»-Wettbewerbs


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