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Artikel vom 30.05.2006

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Elsass - Kultur

Das Spielzeugmuseum Soultz

Das mittelalterliche Städtchen hat touristisch und gastronomische Eigenarten zu entdecken - es ist eines der schönsten am Vogesenfuss

Von Pierre Dolivet



Die aktuelle Sonderschau im Spielzeuge-Museum von Soultz (bis 25. Juni 2006) ist dem Thema «Lego»-Bausteine gewidmet: Raffiniert gebaute Unikate, die nicht nur Kinderherzen höher schlagen lassen… Foto: Pierre Dolivet, Mulhouse © 2006


Das elsässische Städtchen Sultz (frz. Soultz) am Vogesenfuss hat als einer der wenigen grösseren Orte am Vogesenfuss sein reizendes mittelalterliches Gesicht bewahren können, weil es im Zweiten Weltkrieg verschont worden war: Es lag abseits der Heeresstrasse, und die Geschützte ballerten über seine Dächer hinweg.

Dass es noch heute so dasteht wie fast vor Hunderten von Jahren, bezahlten seine Bewohner vor allem in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Textilindustrien des Lauchtales, französisch modern und marketinggerecht in «Florival» umbenannt, Zug um Zug dichtmachte. Es war die Zeit der grössten industriellen Umwälzung im Oberelsass, als die letzten Reste der gloriosen Textilindustrie von Mülhausen verschwanden und auch die Region um Guebwiller davon betroffen war.

Guebwiller, der Geburtsort von Niklaus Rickenbach, dem Erfinder der Zahnstange und mithin des Schweizer Bergbahn-Tourismus, beherbergte wichtige und grosse Textilfabriken, die vom Wasserreichtum des Vogesenfusses profitierten. Rickenbachs Vater wanderte als Textilmaschinen-Ingenieur aus dem Zürcher Oberland ins Lauchtal aus.

Zum Nachbarort Soultz gab es daher enge wirtschaftliche Verbindungen, und Zuzüger als Arbeiter in diesen Industrien liessen sich im Ort nieder - bis zur Textilkrise, die eine Auszugswelle verursachte und mithin auch eine Entleerung des Städtchens.

Erst heute zeichnet sich eine wirtschaftliche Erholung ab. Soultz beherbergt rund 7‘000 Einwohner. Aber es war nicht immer eine so ruhige Zeit wie dato im Verlauf der Jahrhunderte. Soultz wurde erstmals erwähnt durch die Entdeckung der «salzigen Quelle» im Jahr 667. Der erste christliche Fürst, Herzog Eticho, Vater der heiligen Odilie, Schutzpatronin der Blinden, regierte in dem Ort. Später ging er an den Bischof von Strassburg und an Werner von Habsburg über, in dessen Besitz es bis 1015 blieb.

1118 ging es als Lehen an die Herren von Pfaffenheim. 1135 wurde das Priorat von Thierenbach von den Benediktinern gegründet, die es von den 730 eingewanderten Schotten und Irländern übernahmen. Man erreicht das Priorat über eine Strasse, die Jungholtz und Wüenheim mit einem typischen Elsässer Restaurant («A la Couronne» der Familie Rothenburger, 84, rue Principale, 68500 Wuenheim, Telefon: 0033 3 89 76 73 34, Dienstag abend und Mittwoch geschlossen) durchquert und direkt in die dortigen berühmten Weinberge mündet.



Das Kreuzritter-Haus, das heute das Sielzeug-Museum beherbergt ist eines der vielen historischen Häuser in Soultz. Foto: Pierre Dolivet, Mulhouse © 2006



Die Kirche von Soultz ist gewissermassen omnipräsent und den Kreuzrittern des heiligen Sankt Johann geweiht. Die Kreuzritter wohnten zunächst am Nordufer des Rimbachs, und bezogen dann 1263 das Haus, wo heute das «Schiff der Spielzeuge» untergebracht ist.

Dieses Haus sollte man absolut besuchen! Es wurde 1983 von der Stadt gekauft, um darin ein Spielzeug-Museum einzurichten mit ständig wechselnden Themen und Sujets. Das kleine, feine Museum wird seit 1993 vom Ehepaar Joëlle und Richard Heusser geleitet, das mit gösster Sorgfalt und grosser Freude sich Spielzeug-Antiquitäten annimmt.



Wertvolles Blech-Spielzeug in der ständigen Sammlung: Die Ausstellungs-Objekte sind aber gut gegen ungebetene «Liebhaber» geschützt. Foto: Pierre Dolivet, Mulhouse © 2006



Ich gehe immer wieder gerne in dieses wundervolle Haus, wo mir viele der Gegenstände Erinnerungen an meine Kindheit wecken lassen: Alte Hausmodelle, Kirchen, Denkmäler, angefertigt aus historischen Schnittbogen, Spiezeug-Eisenbahnen, angemalt mit bunten Lack-Farben, Holzspielsachen, Flugzeuge aus der Zeit, als diese alten Kisten fliegen lernten, alles wundervolle Dinge, die mich noch heute mehr beeindrucken als elektronisches Spielzeug und Computer und deren Ballerspiele.



Die ständige Sammlung wirktzeigt auch viele Porzellan-Puppen und -Puppenstubengeschirr.



Die alte Befestigungsmauer ist ein ausgezeichneter Startpunkt, um den unglaublichen baukulturellen Reichtum des Städtchens zu erkunden. Zum Beispiel die gotische Kirche Saint-Maurice mit seiner wundervoll klingenden Orgel aus der Werkstätte der berühmten Orgelbauer-Dynastie Silbermann. Oder das Bürgermeisteramt, das auf dem zentralen Kirchplatz thront, und das seit der Renaissance berühmte Ritter und Würdenträger beherbergte - grosse Leute, wie sie im Elsass seit Cäsars Zeiten immer wieder hervorstachen.

In der Neuzeit wurde Soultz 1870 von den Deutschen eingenommen, wurde aber am 17. November 1918 wieder befreit, bis es 1940 bis Februar 1945 erneut in Hände der Deutschen fiel, die die jüdischen Einwohner deportierten und umbrachten. Die mächtige Synagoge in einer Seitengasse zeugt von einer grossen jüdischen Gemeinde und wird jetzt, nach jahrzehntelangem Verfall, in Wohnungen umgebaut - nachdem das Ecomusée d‘Alsace vor fünfzehn Jahren der Gemeinde angeboten hatte, das wunderliche Gebäude abzubauen und auf dem Museumsgelände wieder aufzubauen.

In Soultz gibt es zahlreiche Weinbauern. Einer davon heisst Weinzäpfel, ein wahrlich entsprechender Name. Sein Rebberg ist teils als «Grand Cru d‘Ollwiller» klassiert und verleitet Kenner zu richtigen Höhenflügen. Die Winzer sind im «Winzerverein» organisiert, der die gleichnamige, stimmungsvolle Bar verpachtet hat.

Die ultimative Adresse für Gourmands ist jedoch die «Metzgerstuwa», ein Restaurant, das von einem voluminösen Wirte-Ehepaar geführt wird, das ebenso voluminöse Portionen echter und typischer Elsässer Speisen auftischt - in allerbehaglichster Atmosphäre notabene. Aber nix für für Magerkuren ist…



Monsieur Schlüraff, wie er lebt, und vor allem, wie er leibt: Lebensechtes Porträt des sagenhaften Wirtes von Soultz in seiner Gaststube an der rue de Lattre-de-Tassigny (Foto der Gaststube siehe Link hier unten). Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2006

Die Sonderschau im Spielzeugemuseum «La Nef des Jouets» in Soultz (zwischen Ecomusée d'Alsace und Guebwiller) zum Thema «Lego» dauert noch bis 25. Juni 2006.

Weitere Informationen:


La Nef des Jouets
Collection privée Joëlle et Richard HAEUSSER
12, rue Jean Jaurès
F-68360 SOULTZ
Tel.- Fax : 0033 3 89 74 30 92

Mail: lanefdesjouets@wanadoo.fr

Geöffnet täglich von 14 bis 18 Uhr - auss Dienstag


Weitere Informationen siehe untenstehender Link

Von Pierre Dolivet

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Mehr Bilder von Spielzeug im Format PDF zum Runterladen

• Homepage des Spielzeugmuseums Soultz


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