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Artikel vom 13.02.2006

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Baden-Württemberg - Kultur

Wiederholung wegen Erfolg

Für Büchner nach Kandern!

Die letztes Jahr komplett ausverkaufte Freilicht-Aufführung im Winter «Den 20. ging Lenz durchs Gebirg» nach Büchner wird wiederholt

Von Redaktion



Jan Thümer als flügellahmer «Rabe» in der winterlichen Freilichtaufführung des Kanderner «Theater im Hof» macht das derart bestüzend gut, dass es den Zuschauern während der kurzen Stunde kaum kalt wird.



KANDERN-RIEDLINGEN (D) red.- Wer das aussergewöhnliche Theater-Erlebnis sucht, findet es: Wegen der grossen Nachfrage wiederholt das «Theater im Hof» in Kandern die letzjährige Erfolgsproduktion von Büchners «Lenz» - wieder im Winter, wie immer draussen, wie immer unter dem Kastanienbaum, wie immer bei jedem Wetter. Dauer der Vorstellung zirka eine Stunde. Fürs Durchhalten bei fünf minus gibts in Kandern eine Reihe guter und preiswerter Gastwirtschaften, die den exklusiven Theaterabend auch als gastronomische Reise lohnen - vor oder nach der Vorstellung.

Vom Samstag, 18. bis Dienstag, 21. Februar 2006, gibt es DIE Gelegenheit, das zu erleben, was unser Autor Reinhardt Stumm letztes Jahr am 21. Januar 2005 hier auf webjournal.ch schon einmal «appetitlich» beschrieben hat: «Mit Büchner aufs Land - ein lohnender Theater-Ausflug ins reizende Kanderntal». Auf seine Anweisung hin veröffentlichen wir hier nochmals seinen Bericht - gewissermassen als Erinnungsstütze für den bevorstehenden Leckerbissen. Den können Sie geniessen, wenn Sie sich warm anziehen und eine dicke Decke zur Vorstellung mitbringen - das Vergnügen ist garantiert! (Spieldaten und Infos am Schluss dieser Artikel-Wiederholung.)


-- Von Reinhardt Stumm --

Bei Georg Büchner (1813-1837) heisst der Text einfach «Lenz». Er schrieb ihn, wie sozusagen alles, was er schrieb – Dantons Tod, Woyzeck, Leonce und Lena fallen zuerst ein - kurz vor seinem Tod - er war ja gerade erst 23 Jahre alt, als er starb. In Zürich. An Typhus.

Lenz, postum 1839 erschienen, ist kein Theaterstück, sondern eine Erzählung, keine dreissig Seiten lang. Gebündelte Energiestränge, kein Satz zu viel, von hoher, aber vollkommen beherrschter Gemütsbewegung, über die Erzählung hinaus eine Streitschrift für Literatur, wie sie nach Büchners Verständnis zu sein hatte – nicht Schiller, nicht Idealismus, nicht das Unmögliche, stattdessen die Einsicht in die von der Natur verhängte Brüchigkeit des Menschen, die Verletzlichkeit seiner Seele, die Hoffnungslosigkeit seines Strebens bei allen Künsten des Selbstbetrugs.

Der Lenz, um den es geht, ist der Dichter und Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792), der bedeutendste Dramatiker des Sturm und Drang (Die Soldaten). Ein unglücklicher Mensch, der mit 26/27 Jahren geisteskrank wurde. Für Büchner lag das Jahrzehnte zurück – und war doch, nach seinem Verständnis, das denkbar Modernste überhaupt: Charakteristisch waren die Stationentechnik und die epische Szenenfolge (Brecht entdeckte sie dann wieder neu).

Es sind wohl gerade diese Eigenschaften, die es reizvoll machen, Büchners mit unglaublicher Energie vorwärtsdrängende Erzählung als Vorlage für einen Theaterabend zu nützen. Erzählt wird, wie der stadtflüchtige Lenz beim Pfarrer Oberlin lebt, das Gebirge durchschweift, die zunehmende Vermischung von Phantastischem mit Konkretem verarbeitet und Schritt für Schritt einer Art von Wahnsinn verfällt, die ebenso Schritt um Schritt und immer drängender die Frage stellt, was denn und ob dies überhaupt Wahnsinn ist.

Die Theaterleute geben den Text so gut wie ganz (neben allem anderen eine unglaubliche Gedächtnisleistung), Stefko Hanushevsky spricht ihn - als Büchner, wir sind also gewissermasssen Zeugen des Schöpfungsaktes. Er steht unter dem riesigen Kastanienbaum mitten im Hof dieses ganz und gar bäuerlichen Gehöfts, nimmt die umstehenden Zuschauer mit in die Scheune, in einen Gewölbekeller, wieder in den Hof, verlässt sich dabei völlig und mit vollem Recht auf die imaginative Kraft der Sprache, die in den Köpfen der Zuschauer Szene um Szene ins Bild setzt.

Zu preisen ist Hanushevskys im Laufe einer langen Stunde nie erlahmende Kraft einer fabelhaft strukturierten Diktion (leider ist das längst nicht mehr selbstverständliche Sprechkultur), die weder Leidenschaft noch Zartheit, auch nicht Atemlosigkeit und Brüchigkeit scheut. Keine Mühe, ohne Sinnverlust zuzuhören. Keine Mühe, den begleitenden musikalischen Kommentaren von Harald Kimmig zu folgen, dessen Violine die Geschichte wie eine zarte, leidende Waffe kommentiert.

Das Opfer ist Sinnbild. Ein flügellahmer Rabe (Jan Thümer macht das bestürzend gut, hängt schräg auf dem Boden, zieht flügellahm die Arme hinter sich her, krächzt erbarmenswürdig und beherrscht die Kunst des richtigen Masses bewundernswürdig). Einmal erinnert er uns an Richard II. – Shakespeares unglücklichen, dann gestürzten König, der ein genusssüchtiger Mörder war. Da ist Büchner ganz: «Ich verlange in allem – Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist’s gut.»

Stimmung und Ort sind ideal für Büchners Lenz

Und all das in Kandern, wo der Schweizer Dieter Bitterli zusammen mit Dorothea Koelbing seit fast zehn Jahren immer wieder mal das «Theater im Hof» betreibt. Und jetzt zum ersten Mal im Winter. Zum ersten Mal eine Premiere im Januar. Das Datum kein Zufall: «Den 20. ging Lenz durch‘s Gebirg. Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee, die Täler hinunter graues Gestein, grüne Flächen, Felsen, Tannen...»



Infos und Spieldaten

Georg Büchner: «Den 20. ging Lenz durchs Gebirg»

Spielort:
Theater im Hof
D-79400 Kandern-Riedlingen (gegenüber dem Rathaus)

Spieldaten:
Samstag, 18. Februar 2006
Sonntag, 19. Februar 2006
Montag, 20. Februar 2006
Dienstag,21. Februar 2006

immer um 20 Uhr


Auskünfte, Billettreservation und Vorverkauf:
Tel. 0049 / 7626 / 972081

Eintritt: 16 € - Schüler/Studenten: 11 €

Von Redaktion

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Programm «Lenz» im PDF-Format zum Runtersaugen

• Alles über Kandern - Link zur Homepage

• Stadtplan Kandern

• Zusatz-Tip für Kandern-Besucher: Der August-Macke-Rundweg im PDF_Format


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