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Artikel vom 13.11.2005

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Elsass - Wirtschaft

«Wunderbare» Spätauslesen erhofft

Die Weinlese im Elsass nähert sich dem Ende - eine erste Bilanz für den Jahrgang 2005

Von Jürg-Peter Lienhard



«Achtung Herbster», will das Schild sagen, das man im Herbst auf der elsässischen Weinstrasse allenorten sehen kann. Foto: Huegel & Fils



Die Behörde der elsässischen Weinwirtschaft (Civa) frohlockt: Das für Weinbauern und Touristen (nicht aber für Klimatologen) sensationelle schöne Herbstwetter wird sich besonders auf die von Kennern so sehr geschätzten Spät- und Trockenbeeren-Auslesen auswirken, weil es ideal die Herausbildung der Edelfäule in den Rebbergen förderte.

In Gegenden, wo Wein hergestellt wird - zumal im Elsass -, trifft man stets auf interessante Leute. Weil die Weinherstellung enorme Kenntnisse sämtlicher «Realfächer» - Meteo, Klima, Geologie, Botanik, Biologie, Chemie, Oekologie, Geografie, zum Beispiel - sowie der Oekonomie und der Psychologie (!) erfordert, ist der Bildungs-Durchschnitt in den Weingebieten weit höher als in anderen Landesgegenden. Abgesehen vom natürlichen Charme der Landschaft, pflegen die Weinbauern ihre Dorfbilder und Châteaus mit einem selbstbewussten Konservatismus - schliesslich sind sie ihr wertvolles touristisches Kapital. (Siehe Fussnote am Ende dieses Artikels.)

Wenn der «Conseil Interprofessionnel des Vins d‘Alsace» (Civa) in Colmar - der «Hauptstadt» es elsässischen Weines - einen ihrer saisonalen Berichte verschickt, wird es interessant: Da wird nicht nur das vergangene Weinjahr ökonomisch resümiert, sondern eben auch dessen Biologie, Botanik und vor allem dessen Wetter.

Selten so ideale Bedingungen

So hat das Weinwetter des Jahres 2005 im Elsass selten so ideale Bedingungen für einen hervorragenden Jahrgang geboten. Das Wetter-Resümee des Weinrates liest sich übrigens wie ein «Tagebuch», das subjektive Wetter-Erinnerungen den tatsächlichen Daten gegenüberstellt. Und dann darf einem auch bewusst werden: Das Wetter macht es nicht allen recht - wenn es regnet, ists für den Bauern oft ein Segen, für den Touristen aber ein Graus…

Der Winter 2004/05 im Elsass war, insgesamt gesehen, recht klassisch, mit starken Frösten im Dezember und Januar, und viel Schnee in den Bergen. Doch wurden im Elsass weiter defizitäre Niederschlagsmengen, lediglich 150 mm zwischen November und März, verzeichnet!

Grüne Lese zur Ertragsbegrenzung

Der Monat April war mild und regnerisch, was den Austrieb der Knospen begünstigte. Ende Mai dann der Beginn der Blütezeit, die mit sehr hohen, an die 30°C heranreichenden Temperaturen einherging. Das zwischen Mitte Juni und Ende Juli herrschende, sehr heisse Klima erlaubte ein sehr schönes Rebenwachstum.

Zahlreiche Fachleute praktizierten grüne Lesen, mit dem Ziel, so die Erträge zu begrenzen.

War die erste Augusthälfte angenehm, so war die zweite gegensätzlicher, mit - für die Jahreszeit - recht geringen Temperaturen. Dadurch konnte man jedoch den sehr interessanten Säuregehalt bewahren. Wirklich schöne Wetterverhältnisse gab es erneut wieder Ende August, was einen wesentlichen Reifefortschritt, und den Fortbestand des sehr guten Gesundheitszustandes brachte.

Hervorstechende Reife und Säure

Was die Qualität betrifft, so stechen gemäss den Feststellungen des überprofessionellen Weinrates der ausgezeichnete Reifegrad der Trauben und die sehr zufriedenstellende Säure hervor, welche überwiegend auf der Weinsäure aufbaut. Die Anfang Oktober eingetretenen, beträchtlichen Regenfalle hätten allerdings Anlass zu Besorgnis bezüglich des Gesundheitszustands des Leseguts gegeben, weshalb die fragilen Traubensorten schneller eingebracht worden waren.

Während sich die Crémants als frisch und sehr fruchtig ankündigen, zeigen die Rieslinge je nach Gebiet kontrastierende Ergebnisse, mit gelegentlichen Reifeverzögerungen bei den leichteren Böden, und einer sehr rasch verlaufenden Entwicklung des Gesundheitszustandes (Stielfäule).

Hoffen auf Edelfäule

Die Pinot Blanc, Auxerrois, Pinot Noir und Pinot Gris, sowie die Muscats seien hingegen besonders ausgewogen und sehr fruchtbetont. Die Gewürztraminer lassen auf äusserst aromatische Weine hoffen.

Die sehr schöne Nachsaison zwischen dem 6. und dem 20. Oktober (geringe Niederschläge, morgendlicher Nebel und Nachmittagsonne), ermöglichte die Herausbildung der Edelfäule, was das Entstehen von wunderbaren Spät- und Trockenbeerenauslesen erhoffen lässt.

Qualität dank Mindermenge

Was die Quantität anbelangt so erwartet die elsäsissche Weinwirtschaft eine Gesamtproduktion von 1,22 Millionen Hektolitern (das sind drei Prozent weniger Ausbeute als im Vorjahr), was 270 000 Hektoliter der Weine mit der Bezeichnung AOC Crémant d'Alsace und 950 000 Hektolitern Stillweinen (AOC Alsace und Alsace Grand Cru) entspricht.

Dieses Jahr sind der Wahl des Lesezeitpunkts, sowie der Aufmerksamkeit, die der Weinbereitung im Keller gewidmet wird, ganz besondere Bedeutung zugemessen worden. Das Comité Régional d'Experts des Vins d'Alsace (Regionalausschuss der Fachleute für die Elsässischen Weine) hatte, unter Berücksichtigung des bei den einzelnen Rebsorten unterschiedlich schnell eintretendenen Reifezustandes, den Zeitpunkt für den offiziellen Beginn der Lese 2005 gemäss nachfolgender Aufstellung festgesetzt.

Diese Daten müssen aus gesetzlichen Gründen von allen Weinbauern eingehalten werden und haben je nach Sorte und Weinbereitung eine grosse Bedeutung. Sie geben daher immer wieder periodisch Anlass zu heftigen Diskussionen unter den Weinbauern, die allerdings eben auch in der Kommission zur Festlegung der Weinlese vertreten sind…



Letzte Arbeiten des Herbstes 2005 im Rebberg Schönenburg des traditionsreichsten Weinbauern im Elsass: Huegel & Fils.


Die Weinlese 2005

Die von der Weinbau-Kommission festgelegten Daten der Weinlese im Herbst 2005:

Für die kontrollierte Herkunftsbezeichnung «AOC Crémant d'Alsace»:

• Mittwoch, 7. September: Für alle Rebsorten, die im Dekret dieser Bezeichnung vorgesehen sind, ausser fir den Riesling, der ab dem 15. September geerntet wird.

Für die «AOC Alsace»

• Donnerstag, 22. September : Chasselas, Sylvaner, Pinot Blanc oder Auxerrois, Pinot Noir,

Pinot Gris, Klevener von Heiligenstein und Muscat.

• Donnerstag, 29. September: Riesling und Gewürztraminer.

Für die «AOC Alsace Grand Cru

• Donnerstag, 22. September: Muscat und Pinot Gris

• Donnerstag, 29. September: Riesling und Gewürztraminer. Für die Prädikate Vendanges Tardives und Sélection de Grains Nobles :

• Donnerstag, 6. Oktober: Muscat und Pinot Gris

• Donnerstag, 13. Oktober: Riesling und Gewürztraminer


Fussnote

In der Sendung «Musik für einen Gast» auf Radio DRS II am Sonntag, 13. November 2005 von 12.40 bis 13.45 Uhr, hat der von Sabine Rotach eingeladene Kunsthistoriker und Philosoph Gottfried Boehm, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Basel, völlig zufällig von obenstehendem Artikel dieselbe Ansicht über die geschärfte Intelligenz der Weinbauern als Folge ihrer Wissensvielfältigkeit vertreten. Boehm selbst wuchs in einer deutschen Weinregion auf und kennt die komplexen Bedingungen des Weinbaus.

Die auch sonst hörenswerte Sendung «Musik für einen Gast» mit Gottfried Boehm wird auf Schweizer Radio DRS II am Samstag, 19. November 2005, von 11.03 bis 12.15Uhr wiederholt.

Für eine gewisse Zeit kann die Sendung im Internet abgerufen und gehört werden - siehe Link hier unten.

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Lesen Sie auch: «Die glorreichen Sieben»… (…Sorten der elsässischen Weine)

• Mehr zur Sendung «Musik für einen Gast»


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