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Artikel vom 21.10.2005

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Mit Stumm unterwegs

Nur einmal im Burghof

King Arthur oder The British Worthy, eine dramatische Oper in fünf Akten von Henry Purcell, nach einem Text von John Dryden, wird an diesem Samstag und nur dieses eine Mal, im Lörracher Burghof aufgeführt

Von Reinhardt Stumm



Fotos: Burghof Lörrach


Das Metier Oper! - ist mir nicht vertraut, ich kann mir nicht erlauben, Urteile abzugegeben. Aber eines weiss ich: Um Simone Kermes wieder singen zu hören, würde ich noch einmal so weit laufen. Es geht um Purcells «King Arthur» (die Uraufführung war 1691).

Wir (ein paar zur Vorinformation eingeladene Presseleute) sahen leider nur einen Ausschnitt während der Endproben. Am Regiepult nennen sie das Stückchen die Frostszene, das ist im zweiten Akt: Eine junge Frau zieht einen Mann an einem langen Strick hinter sich her auf die Bühne, sie singen englisch.

Ich verstehe vom Text so gut wie nichts. Das macht nichts! Wenn ich im Schauspiel nichts verstehe, ist der Abend unter allen Umständen verloren. Eine Oper gewinnt möglicherweise gerade dadurch, das ich nichts verstehe.

Eine wahre Lust…

Simone Kermes also zieht den Kerl am Strick hinter sich her und singt: eine kräftige, in keiner Lage abfallende, glockenreine, helle, klare Stimme, die völlig mühelos (wie es scheint) den abenteuerlichsten Erfindungen Purcells folgt. Dabei entwickelt sie derart viel Kraft, setzt sie soviel Bewegungsenergie frei, dass es eine wahre Lust ist, ihr zuzusehen und zuzuhören. Jaja, ich weiss es ja, ich entdecke eine alte Kunst für mich ganz neu - es wird aber auch Zeit!

Ah ja, die Frostszene! Der geplagte Mann verdient kein Mitleid, am Ende wird er von den Stricken befreit, Vertrautheit stellt sich ein, das Paar umarmt sich.

Purcells Stil, lese ich, zeichne sich aus durch meisterhafte Kontrapunktik, reiche Harmonik und klare Textbehandlung. Vielleicht sollte ich doch mehr Text verstehen? Die Geschichte (nach John Dryden 1631–1700) wird im Programmheft erzählt, sie geht über den üblichen Opernschmarren weit hinaus.

Ohne Merlin läuft nichts…

König Arthur tritt auf, natürlich der Zauberer Merlin (ohne den geht sowieso seit tausend Jahren in England nichts). Die Gegenpartei - die Sachsen - suchen den Krieg, nicht aus politischen Gründen, sondern aus Neid und Eifersucht. Im Hintergrund also die einfliessende Erinnerung daran, dass England sich immer neu zur Wehr setzen musste - gegen die Römer, gegen die Angeln und Sachsen, gegen die Normannen, von denen es erobert und unterworfen wurde.

Spiritus rector und Leiter des Unternehmens, an dem die 32 Orchestermusiker des Balthasar-Neumann-Ensembles, die 22 Choristen des Balthasar-Neumann-Chors und neun Solisten beteiligt sind, ist Thomas Hengelbrock.

Fassungslose Journalisten…

Er amüsiert sich über die nahezu fassungslosen Fragen der Journalisten, die nicht begreifen können, wie es möglich ist, eine Truppe dieses Ausmasses, mit diesem Anspruch und Ehrgeiz ohne jede öffentliche Subvention am Leben zu erhalten. Ich weiss nicht mehr genau, ob er er es sagte oder ob ich es mir zu denken erlaubte: Sie arbeiten!

Die Purcell-Geschichte ist nicht neu, sie gehört seit längerem zum Programm. Was im Burghof seit ein paar Tagen vor sich geht, sind aber nicht nur Wiederholungsproben, es ist auch die Einrichtung der Produktion (samt Licht natürlich) auf einer Bühne in einem Haus ohne Orchestergraben. Also wird die Inszenierung umgebaut! Nicht zu einer konzertanten Aufführung, sondern zu etwas, was sie als szenische Halboper bezeichnen.

Aus Zwängen lustige Einfälle geworden

Das Orchester sitzt in ansteigenden Reihen auf der Bühne, vorne ist ein vielleicht zweieinhalb Meter breiter Streifen frei, Auftritt von links oder rechts, der Chor sitzt, wenn nicht beschäftigt, auf Stühlen in langer Reihe von links bis rechts vor der Musik. Die Frostszene zeigt, wie lustig das zugehen kann. Die Choristen (und die ersten Reihen des Orchesters mit ihnen) verschwinden hinter einem zwanzig Meter langen weissen Bettlaken, das sie hochhalten, die Köpfe oben eingebettet, und jetzt sieht das aus wie eine Alpenkette, zur Abwechslung mal Menschenkopf statt Hartmannsweilerkopf. So werden aus Zwängen lustige Einfälle, die ja im Theater nicht ganz unwichtig sind.

Hengelbrock erzählt, dass die von ihm gegründeten Produktionsgruppen - Balthasar-Neumann-Ensemble (1995) und, ebenfalls in Erinnerung an den berühmten Barockbaumeister (Würzburger Residenz, Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen), Balthasar-Neumann-Chor (1991) - regelmässig in Paris sind, seit acht Jahren fest zum Programm der Schwetzinger Festspiele gehören, in Freiburg, Baden-Baden, Bonn, Köln und weiss nicht wo noch auftreten - und in Wien natürlich, wo Hengelbrock eigentlich zuhause ist.

Die CD sollt‘ man sich besorgen…

Dieses geschrieben habend, werde ich mich auf die Socken machen und nach CD's von Simone Kermes suchen - eine, «Die Schöpfung» (von einem Heiden, wie Ernst Jandl lästerte), von Thomas Hengelbrock und Simone Kermes, wurde mit dem Echo-Preis 2003 ausgezeichnet. Sollte man haben, oder?

Die Premiere (und leider einzige Aufführung in Lörrach) ist am Samstag, 22. Oktober, um 20 Uhr im Burghof.

Von Reinhardt Stumm

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Mehr zur King-Arthur-Inszenierung im Burghof


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