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Artikel vom 21.10.2005

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Reusdals Räuspern

Unentrinnbare Welt

Immer mehr Lebensräume werden mit Unrat aller Art vollgestopft

Von Mitch Reusdal



Am 30. September 2005 war es genau 60 Jahre her, als Anton von Webern in Mittersill bei Salzburg von einem US-Soldaten irrtümlich erschossen wurde. Es war ein Unfall, den der Komponist hätte verhindern können, wäre er nicht zum Rauchen einer Zigarre vors Haus getreten. jpl. Bild: Detail aus dem handschriftlichen Notenblatt mit Stück
5 und 6 aus den Bagatellen op. 9



Wo ist es noch möglich, der Belästigung durch die Raucher zu entgehen? Und wenn es nicht der Zigarettenqualm ist, dann ist es die Musik, die überall ertönt und für Unruhe sorgt. Die letzten Rückzugsgebiete liegen immr weiter weg!

Dass das Rauchen eine Belästigung ist, wissen alle Nichtraucher. Nur die Raucher selbst haben keine Ahnung. Sie wissen gar nicht, was für einen unangenehmen Geruch sie ausströmen. Der Verzicht auf das Rauchen sensibilisiert den Geruchssinn. Nichtraucher bekommen dadurch ein Problem, zum Beispiel wenn sie einen Abend unter Rauchern verbracht haben und am nächsten Morgen an ihren Kleidern riechen. Pfui Teufel! kann man da nur sagen.

Nebensatz: Es ist mir klar, dass ich für diese Bemerkungen jetzt Prügel einstecken muss. Weil ich mich nicht vollstinken lassen will, bin ich untolerant. (Die Raucher dagegen, die die Luft verpesten, sind wahre Ausbünde von Toleranz.)

Weiter im Text: Wie gern würde ich in einem Restaurant bei einem guten Essen einen genussvollen Abend verbringen, aber ich enthalte mich. Der Rauch stösst mich ab. Er würde mir glatt den Abend verderben. Warum soll ich mich diesem Misstand aussetzen?

Dicke und andere Luft

Es ist nicht allein eine Frage der Gesundheit, die meinen Entschluss besiegelt, aber sie trägt auch dazu bei. Ausschlaggebend ist weit mehr die dicke Luft in den Lokalen. Wie in einer Druckkammer, aus der es kein Entrinnen gibt. An einem der letzten schönen Herbsttage war ich in den Bergen. Ich habe tief eingeatmet und die Luft in den Lungen gespürt. Wie eine Erleichterung. Jetzt weiss ich noch besser, was auf dem Spiel steht.

Ohne Luft geht es nicht. Es gibt nur eine einzige Luft, die für alle zum Atmen da ist, aber von einigen missbraucht wird.

In Italien ist das Rauchen in den Lokalen vor einem Jahr verboten worden, in Skandinavien ist es schon lange so. Es gab Proteste, aber sie sind schnell «verraucht». Jetzt scheint ein neues Zeitalter anzubrechen. Es sei denn, dass Rauchverbote als frauen- und kinderfeindlich angesehen werden, da es mittlerweise zur Hauptsache Frauen und Kinder sind, die rauchen.

Kolonisierter Raum

Inzwischen gibt es auch hierzulande bereits einige rauchfreie Lokale. Das ist gut so. Es entspricht einer immer grösseren Erwartung. Aber nun stellt sich das nächste Desaster ein, das sich hinter dem Rauch- und Qualmproblem lange verborgen gehalten hat. Es kommt immer noch etwas Neues zum Vorschein.

Das war der erste Teil, jetzt folgt der zweite. Kaum betrete ich ein rauchfreies Lokal, werde ich gewahr, wie laut die Musik aus den Boxen dröhnt. Es gibt kaum noch musikfreie Lokale, von den musikbeschallten Warenhäusern und Einkaufszentren gar nicht zu reden. Aus allen Ritzen dringt dieser akustische Qualm und zwingt mich zum Gehen. Noch ein Störfaktor. (Noch ein Verzicht.) Nimmt das denn kein Ende?

Wobei das, was mit «Musik» bezeichnet wird, alles andere als das ist. Es ist – ja, was eigentlich ist es? Eine generierte Unruhe, eine organisierte Nervosität. Auf jeden Fall eine kapitale Umweltverschmutzung. Man muss es einmal deutlich sagen.

Musik ist eine Kolonisation des Raums. Der leere und leise, bisher geräuschverschonte Raum wird mit Musik, aber in Wirklichkeit mit akustischem Unrat besetzt. Als dürfte es keinen unberührten Winkel geben.

Ist es denn ausgeschlossen, irgendwo eine halbe Stunde ruhig sitzen zu können, ohne irgendeiner Beeinflussung von aussen ausgesetztzu sein? Liegt es an mir? Sieht fast so aus.

Ich werde wahrscheinlich nächstens in die Berge zurückkehren.

Von Mitch Reusdal

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Mehr über Anton Weberns Rauchertod


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