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Artikel vom 22.06.2009

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Elsass - Allgemeines

Die Rocky Mountains von Kiffis

Das elsässische Juradorf, Geschwisterdorf von Roggenburg (Kanton Baselland), ruft am Sonntag, 24. Mai 2009, zum ersten Dorffest seiner Geschichte auf

Von Jürg-Peter Lienhard



Kiffis ist NICHT Sundgau, obwohl es gleich nebenanliegt. Kiffis ist JURA. Die geografischen Begriffe werden gerne verwechselt, zumal sie nicht mit den politischen Grenzen übereinstimmen. Diese betörend schöne Landschaft ist in Kiffis zu sehen. Nicht real, sondern als Foto-Ausstellung einer Weltenbummlerin aus Kiffis zum Thema «Mon Tour du Monde». Foto: Marie-Christine Walther, Kiffis Les Forges © 2009


Es könnte ja sein, dass auf einem Estrich der französischen Jura-Gemeinde Kiffis (oberhalb von Wolschwiller und gegenüber von Roggenburg BL), plötzlich ein längst vergessener van Gogh zum Vorschein kommt. Denn Estrichenrümpeln war kürzlich in dem 280-Seelen-Dorf angesagt. Anlass war die Suche nach einem «Aufhänger» für das erste Dorffest vom Sonntag, 24. Mai 2009. Fast alle elsässischen Dörfer - zumal jene im Sundgau - veranstalten seit den achtziger Jahren ihr Dorffest und stimmen ihre Daten im Rahmen der «Ronde des Fêtes» ab. Es brauchte einen Anstoss, dass auch Kiffis nun sein Dorffest montiert - der Anstoss kam von «innen», aber von einer Weltenbummlerin aus dem Dorf…



Das hingegen IST Kiffis: Fotografiert von der Wollschwiler-Strasse, oberhalb der Kirche, neben den Stallungen von Jean Walther vom Hof «Zum Blauen»: Ortsschild mit dem Dorffestplakat «24 mai vide greniers» Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2009



Kiffis mit Blick auf die Schwestergemeinde Roggenburg (im Hintergrund), heute zum Kanton Baselland gehörend. Dazwischen das Lützeltal mit der internationalen Strasse von Kleinlützel nach Lützel (Lucelle), wo bis zur französischen Revolution das reiche und einflussreiche Kloster herrschte (heute weitgehend abgebaut oder zerstört). Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2009


Bref, Kiffis ist ein Sonntags-Ausflug wert, zumal zum Dorffest vom 24. Mai 2009. Von Basel fährt man von Leymen über Rodersdorf–Biederthal–Wolschwiller und muss in Wolschwiller gut aufpassen, weil dort kein Schild nach Kiffis weist. Aber es geht bergauf (denken Sie daran, bergauf) grad vor der Kurve nach Oltingue, aber geradeaus. Von da geht es durch eine wunderschön bewaldete Serpentine die «Hohe Schleife» zum «Nagelberg» durch die «Lange Matte» zu den «Hohhalden» am «Blauenberg» nach Kiffis, wo man auf der Höhe der Kiffiser Kirche am Dorfeingang ankommt.

Die genannten Flurnamen habe ich von der Velokarte Basel–Altkrich 1:50'000 abgekupfert. Per Velo bin ich die Strecke noch nie hochgeradelt - dort, wo ich zum Velofahren Lust hätte, gehts nur bergauf! - aber sie ist sehr beliebt bei Basler Velofahrern, die - ich fresse einen Besen - allesamt gedopt sein müssen, denn ich habe dort noch nie einen absteigen und das Velo schieben gesehen, wie ich es von unten bis oben müsste!

Nach Kiffis kommt man aber auch via Laufen und Kleinlützel, und von dort sogar mit dem schweizerischen Postauto, das via internationale Strasse durchs Lützeltal nach Roggenburg fährt. Die Postauto-Station für Kiffis heisst Roggenburg Hammerschmitte, von wo es bei der Beiz «Les Forges» (zurzeit geschlossen) noch 10 Minuten zu Fuss die nur Anwendern reservierte Strasse ins Dorfzentrum von Kiffis hoch geht.

Am Sonntag, 24. Mai 2009, fährt der erste Zug ab Basel SBB um 10.37 Uhr ab; nach dem Umsteigen in Laufen kommt man schon 11.39 Uhr in Kiffis Les Forges (Station Roggenburg Hammerschmitte) an, grad rechtzeitg zum Mittagessen in einer der Festbeizen in Kiffs. Zurück gibts diese Möglichkeiten: ab Kiffis/Roggenburg Hammerschmitte 16.58 Uhr, 17.58 Uhr und 19.30 Uhr (letzte). Gucken Sie aber selber in den Fahrplan, denn hier stehts wie immer ohne Gewähr.

Was erwartet Sie denn an diesem Mai-Sonntagsfest in Kiffis? Wie gesagt, es ging um einen Aufhänger, um einen Namen für das erste Dorffest. Man hat den Namen gefunden: Estrichentrümpelungsfest, auf Französisch «vider le grenier», was aber selbst auf Französisch kompliziert ist, weshalb das Fest noch komplizierter «videgrenierdekiffsi» benamst worden, also auch kaum einfacher auszusprechen ist… So sind sie eben die Kiffiser: warum denn einfach, wenns kompliziert auch geht…

Also gibt es erstens eine Fotoausstellung von Abenteuerreisen zu sehen (Eintritt frei). Einige der Fotos habe ich vorab gesehen und bin schlichtweg begeistert (siehe weiter unten).

Zweitens hatte der Aufruf der Gemeinde, den Estrich mal gründlich zu entrümpeln, grossen Erfolg. Der Wunsch der Bevölkerung nach einer Gratis-Sperrgut-Entsorgung jedenfalls machte dem Gemeinderat zunächst Sorgen. Denn gratis ist nicht mal der Tod, denn der kostet bekanntlich ja das Leben… (und allein die Lektüre von webjournal.ch ist idiotischerweise immer noch gratis!).

Die gewitzten Kiffiser kamen daher auf die Idee, das Nützliche mit dem Guten zu verbinden: Den Estrich entrümpeln und das Sperrgut als Antiquitäten und Flohmarkt zu verkaufen, statt für teures Geld in die Verbrennung führen zu lassen.



Stimmungsbild vom Dorfeingang von der Wollschwiler Strasse. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2009


So könnte es also kommen, dass am kommenden Sonntag - vielleicht, vielleicht - gar ein van Gogh vom Estrich runtergeholt und am Flohmarkt feilgeboten wird. Für etwas mehr als einsfünzig, vermute ich… Etwas billiger, glaube ich, werden sein: Ein «Potschamber» *) oder ein «Barabli», vielleicht ein «Peuteterli» oder ein «Ridicül», auch ein «Gellerettli» oder ein «Tschäpper» könntens sein: Über 30 Stände haben sich angemeldet. Darunter sind nicht nur Flohmarktstände, sondern etliche Kiffiser bieten ihre eigenen Produkte vom Honig bis zur Gonfi an oder präsentieren ihre Hobbies.

Immerhin: das ganze Drum und Dran ist für die Kiffiser ein Grund zu einem Fest. Die «Pumpiers» spielen mit dem Feuer, das gehört zu ihrem Beruf, weshalb sie für die Grillparty zuständig sind. Die Reitergesellschaft lädt zu Kaleschenfahrten zum Blochmont, dem «Hausberg» von Kiffis, und für Kinder sind Ausritte mit Poneys geplant. Ein anderer Dorfbewohner führt seine Lamas vor, die sich ausgesprochen gut ans Kiffiser Klima angewöhnt haben. Und wieder ein anderer lässt seine alten Traktoren knattern. Da und dort darf man auch musikalische Einlagen erwarten, hat man mir versichert.

Also: ein erstes Dorffest ist immer etwas Besonderes, weil noch nichts routiniert, noch nichts allzu kommerziell organisiert ist. Darum: nichts wie hin, nach Kiffis, am Sonntag, 24. Mai 2009 - die ersten Flohmi-Schnäppchen sind schon um 8 Uhr weg - sicher und bestimmt auch der vermutete van Gogh!

*)
• «Potschamber» - «pot de chambre» = Nacht- oder Schysshaafe
• «Barabli» - «parapluie» = Regenschirm
• «Peuteterli» - «peut être» = vielleicht gehts, vielleicht gehts nicht (das Feuerzeug nämlich)
• «Ridicül» - «ridicule» = lächerlich, gemeint die «neumodischen» Damentäschli
• «Gellerettli» - «quel heure est il?» = Taschenuhr (wie viel Zeit ist es?)
• «Tschäpper» - «chapeau» = Hut
• «Pumpier» - «pompier» = Feuerwehr, Feuerwehrmann



Beispiel aus der Fotoausstellung vom 24. Mai 2009

Alle Fotos von Marie-Christine Walther, Kiffis Les Forges




Grossäugig-neugierige Kindergruppe aus den peruanischen Anden.




Der junge Mann da am Titicacasee macht etwas, was hierzulande nicht mal mehr junge Frauen machen: Stricken (man sieht leider die Stricknadeln in der Internet-Version der verkleinerten Foto nicht gut).




Eisberge vom Morena-Gletscher in Argentinien.


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Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Die temproäre Internetseite zum Dorffest (mit Anfahrtsplan und deutsch)

• Etwas zur bewegten Geschichte von Kiffis (franz.) von MCW


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