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Artikel vom 24.06.2018

Presse

AKTUALISIERT: MIT LESERBRIEF AM SCHLUSS

Die Rotation des «Journal l’Alsace» hat ausgedruckt

Die Zeitung wird ab Montag, 25. Juni 2018, beim ehemaligen Konkurrenz-Blatt «Les Dernières Nouvelles d’Alsace» in Strassburg gedruckt - 74 Leute verlieren ihren Arbeitsplatz

Von Jürg-Peter Lienhard



Ausgedruckt: Die Schweizer «Wifag»-Rotation der Zeitung «Journal l’Alsace» in Mulhouse zügelt zur Konkurrenz nach Strassburg. Bild: Titelseite der Zeitung «Journal l’Alsace» vom Sonntag, 24. Juni 2018


Sie war eine Anschaffung von der Grössenordnung, als ob ein bürgerlicher Haushalt anstelle eines VWs einen «Rolls-Royce» zulegen würde: Die damals in Bern bei der «Wifag Maschinenfabrik AG» (heute Fribourg) gebaute Rollenoffsetrotation ist weltweit die beste und zuverlässigste unter den «einfach-breiten Zeitungsrotationen» - aber auch die teuerste. Für mehr hier klicken:

Die Anschaffung 1992 hatte sich jedoch für das «Journal l’Alsace», die kleinere der beiden elsässischen Tageszeitungen, während Jahrzehnten gelohnt: «Lalsace», wie man sie kurz allenorten nannte, war nun mithilfe des Offset-Printverfahrens der «Wifag» in der Lage farbig zu drucken, zumal Fotos in Farbe wiederzugeben. Damit konnte sie publizistisch wie auch auflagenmässig zur grossen Konkurrentin «Les Dernières Nouvelles d’Alsace» in Strassburg etwas aufschliessen. Diese erschien in den besten Zeiten mit über 220’000 Exemplaren in zwei Ausgaben französisch und deutsch - und allein aus sprach-rechtlichen Gründen mit einem 30-prozentigen französischen Teil mit den Rubriken, Inland, Wirtschaft und Sport.

Demgegenüber überschritt das «Journal l’Alsace» nie mehr als 100’000 Exemplare Auflage, und gemäss der «Alliance pour les chiffres de la presse et des médias» ACPM sank die Abonnentenzahl in den wenigen Jahren seit 2013 dramatisch von nicht ganz 84’000 auf knapp 69’000 zahlende Abonnenten.

Immerhin ist das «Journal l’Alsace» im Süd-Elsass die meistgelesenste Zeitung, trotz der auch im Oberelsass stark vertretenen und finanziell mächtigen Konkurrenz aus Strassburg. Und bisher erschien auch eine rein deutschsprachige Ausgabe mit dem französischen Untertitel «Cahier bilingue», obwohl rein deutschsprachig und bestückt mit allgemeinen Agentur-Texten aus Deutschland, die selten aktuell sind, und kaum lokale Themen im Elsass behandeln.

Bereits sind die meisten Lokal-Büros des «Journal l’Alsace» mit seinen sieben gesplitteten Regionen-Ausgaben gemeinsam mit den Kollegen von der Konkurrenz in denselben Büroräumlichkeiten zusammengezügelt. Nur die Hauptredaktion in Mulhouse mit den Ressorts Politik Wirtschaft und Sport ist selbständig untergebracht.

Die Eigentumsverhältnisse beider Elsässer Tageszeitungen sind in den letzten Jahrzehnten geprägt worden durch aufsehenerregende Wechsel, die dem Ruf beider Zeitungen nicht zuträglich und daher auch imageschädigend waren. Zurzeit befinden sich jedoch beide Zeitungen unter dem finanziellen Dach der Grossbank «Crédit Mutuelle», was zwar den finanziellen Rahmen sichert, aber die Befürchtungen bei Zeitungs-Mitarbeitern und in der Bevölkerung einer bevorstehenden Fusion Nahrung gibt.

So war die Zusammenlegung der Lokalredaktionen bereits ein erstes Anzeichen, zumal nur zu oft dieselben Artikel wörtlich im Konkurrenzblatt mitveröffentlicht wurden. Dass nun auch noch der Rotationsdruck von Mulhouse nach Strassburg verlegt wird, wo übrigens schon lange auch auf einer «Wifag»-Rotation gedruckt wird, ist nur ein folgerichtiger Schritt.

Mit dieser Druckzusammenlegung sind in Mulhouse 74 Mitarbeiter in der Druckerei betroffen. 44 verlieren ihren Arbeitsplatz in dieser von Arbeitlosigkeit gebeutelten Basler Nachbarstadt. Gemäss Gewerkschaften sind davon 25 mehr als 55 Jahre alt, die in die Frühpension entlassen werden. Immerhin soll es gemäss Aussagen der Gewerkschaften für alle sozialverträgliche Lösungen geben.

Obschon die Lokal-Redaktionen zunehmend personell verkleinert wurden, können die Journalisten beider Zeitungen zumindest in der Gemeinschafts-Redaktion von Saint-Louis damit rechnen, dass die redaktionelle «Deadline» wegen der rund 120 Kilometer Distanz zu Strassburg nicht vorverschoben wird und die Journalisten nicht noch mehr unter Zeit- und Arbeitsdruck vor Redaktionsschluss geraten.

Die wechselvolle Geschichte der modernen Phase der Zeitung «L’Alsace» nahm ihren Anfang am 23. November 1944 in den Trümmern Mülhausens, das soeben von der Nazi-Besatzung durch die gloriose 1. franzsöische Armee unter General de Lattre-de Tassigny befreit wurde. Obwohl die Zeitungs-Druckerei nicht direkt im Kreuzfeuer lag, aber gleichwohl arg beschädigt worden war, konnte sie noch in den Trümmern ihre erste Ausgabe herausgeben und sie der Befreiung Mülhausens widmen. Im Buchdruck in Blei und schwarzweiss - bis 1992…

Übrigens ging es der Zeitung Ende sechziger Jahre finanziell schon mal schlecht. In dieser Zeit der Hochkonjunktur hätte ein Verschwinden dieses für die Basler Wirtschaft wichtigen elsässischen Stellen- und Inseratenteils auch die Basler Region getroffen. Mit Initiative der Basler Wirtschaft, angeführt vom Gründer der Regio Basiliensis, Hans Bryner, konnte jedoch eine Basler Finanzspritze zum vorläufigen Überleben der einzigen südelsässischen Tageszeitung beitragen.

Leserbrief

Lettre du lecteur Thierry Fischer, Mulhouse. Il est le fils du journaliste alsacien très célèbre Roland Fischer ✞


Quand j’étais enfant, il m’arrivait d’accompagner mon père au siège de « L’Alsace », qui était alors installé 2, avenue Aristide Briant (ex-chaussée de Dornach, « Stresslà »), dans un ancien grand magasin donnant sur le marché du canal-couvert. A l’époque, le journal remplissait l’immeuble. La rotative typographique « Marinoni » (un grand nom parisien des machines d’imprimerie, depuis le XIXe siècle) était au sous-sol. Elle avait été installée pendant l’occupation pour le « Mülhauser Tagblatt », qui était sous contrôle nazi, et a été « saisi » en novembre 1944 par l’équipe de direction restée aux commandes jusque dans les années 1970. Au rez-de-chaussée se trouvaient les locaux commerciaux, à l’entresol l’atelier de composition et les linotypes avec les fours à plomb, au 1er étage la direction, et la rédaction au 2e.

Les journalistes occupaient des bureaux sur cour, sombres et sans vue, encore obscurcis par la fumée du tabac… Il y régnait un bruit très particulier, mélange du crépitement des grosses machines à écrire et du grondement des ventilateurs des fours. On accédait aux étages par un escalier en bois recouvert de linoleum vert, toujours impeccablement ciré et très glissant…

La rotative « Marinoni » a été remplacée vers 1970 par une autre machine typographique « MAN » (Maschinenfabrik Augsburg – Nürnberg), installée dans le bâtiment de la rue de Thann racheté à l’usine textile DMC, où l’impression est restée jusqu’à aujourd’hui. Cet achat a probablement été une Fehlentscheidung, car cette machine ultra-rapide n’était pas adaptée aux multiples éditions locales. Elle nécessitait chaque nuit de nombreux changements de rouleaux, et l’offset et la photocomposition pointaient leur nez... A la reprise du journal par le Crédit Mutuel, le siège a été cédé à celui-ci (aujourd’hui Crédit Mutuel « St-Joseph »), et les bureaux installés avenue Kennedy (« Gràwà ») dans des locaux loués au Crédit Mutuel « Ste-Marie ». Une première rotative offset avait été installée rue de Thann à côté de la MAN, avant que les deux machines ne soient remplacées par la « Wifag », la même année où mon père a pris sa retraite.
Thierry Fischer

Von Jürg-Peter Lienhard



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