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Artikel vom 23.02.2010

Basel - Allgemeines

Mit Fotoreportage auf Youtube - aufdatiert 20.35 Uhr

Sujetmässig ein dankbarer Jahrgang

Die Comité-Schnitzelbänke hatten am Fasnachts-Montag 2010 im Theater Basel volles Haus - angefügt auch noch die besten der BebbiBänng

Von Redaktion



Der «Singvogel» überzeugte in jeder Hinsicht - auch mit den Helgen. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010


Schnipo, Schnitzel-Pommes, nein - das gabs nicht im Theater Basel, aber Wienerli und Härdepfelsalat oder Käskiechli. Auf jeden Fall lag da ein unmissverständlicher Duft im ehrwürdigen Musentempel am Montag, 22. Hornig 2010, zu Beginn des Schniba, dem Schnitzelbank-Grossanlass. Die «Privilegierten» sassen an Tischen auf der Bühne und der Hinterbühne, wo essbare Kleinigkeiten und vor allem Rote und Wysse konsumiert werden konnte. Die Stimmung war bombig und passte beinahe deswegen zu gewissen Sujets, die da obligatorisch vom Publikum dieses Jahr erwartet wurden…



Blick vom Zuschauerraum zur Bühne und Hinterbühne des Basler Theaters - rechts mit dem Podium für die Bänkel-Auftritte. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010

Erwartet, jawohl: Man spürte buchstäblich physisch diese Erwartungen des Publikums, diese hohen Erwartungen, den Erwartungsdruck, dem die Bänke da ausgesetzt waren: Das Publikum war den «Neuen» gegenüber typisch baslerisch zunächst reserviert, aber nachdem sie die Kür überstanden hatten, zeigte es sich spendabel mit Applaus, während die wenigen Favoriten aus vergangenen Jahren, schon beim Einmarsch mit Vorschuss-Applaus bedacht wurden.

Letztere waren «natürlich» der «Peperoni» und der «Singvogel», die von der Jury klug am Ende positioniert wurden und so einen Schluss-Höhepunkt boten, der den doch eher «milden» Jahrgang 2010 als pointenreich in die Erinnerung katapultierten. Der «Singvogel» hatte ja am Drummeli 2010 gewissermassen mit seinen sensationellen Versen den Vogel abgeschossen; die Begabung des Bänkelsängers jedenfalls kann man schon daran erkennen, dass er es wagte, Verse zu bringen, die nicht auf dem Zeedel gedruckt waren und er sie auch nicht schon am Drummeli sang. Den Spitzenplatz hat er sich jedenfalls verdient.

Und da sind wir wieder bei den Erwartungen des Publikums. Der Schnitzelbank als Spiegel der Befindlichkeit der Stadtbewohner, als Ventil, das mit dem treffenden Witz den nebulösen Dampf ablässt, weil er den Zustand oder die Person ungeschminkt benennt, spielt die Rolle der «öffentlichen Psychohygiene»: Die Pointe haut dem Nagel auf den Kopf oder denunziert den durchsichtigen Plunder des «Kaisers».

Wenn das der Grund ist, dass das Publikum das Haus gerammelt voll füllt, dann ist das ein gutes Zeichen für das politische Bewusstsein der Basler. Allerdings war ziemlich auffallend, dass meist nur ältere Leute im Publikum sassen, dass fast ausschliesslich nur die Garderobieren junge Leute waren. Das gibt zu denken - oder waren die «Jungen» derweil als «Aktive» unterwegs?



«Heiri» - auch er sehr originell: Helgen und sogar mit Techno-Musik ab Konserve. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010


Das vergangene Jahr hingegen bot ausreichend Sujet-Stoff für die Bänkel-Dichter, sowohl lokal wie international. Und es kam darum auch so alles dran, was so in jüngster Vergangenheit Medien und Volk beschäftigte, auch wenn die Pointen anders ausfielen, als sie die humorlosen Puristen oder Al Jazeera erwarteten: Der Schnitzelbank nach Basler Art ist eine Waffe mit feiner Klinge, und die hat einen Griff, der (meist) aus Kunst und Poesie besteht!

Natürlich liegt es in der Natur des Basler Schnitzelbanks, dass gewisse Themen obenausschwingen, doch nur zu oft nimmt die erwartete Pointe eine ganz andere Richtung und kommt gerne und zur grössten Verblüffung zu einer antipodischen Aussage. So sagt die Aufzählung der Sujets gar rein nichts über die «Qualität» der Bänke; die muss man gehört - und gesehen - haben: Nicht nur das Sujet, der Reim, sondern auch die Melodie, der Helgen, das Kostüm und die Requisiten oder das Instrument sind ausschlaggebend für den Gesamteindruck des Bankes, den er im Gedächtnis des Publikums hinterlässt. Man muss den Bank gesehen und gehört, also erlebt haben.

Allerdings ist es auch da so, dass Allzuviel ungesund ist: Die besten Erfolge erzielen immer noch die Vierzeiler, die mit drei Zeilen auf einem Sujet gemächlich daherreiten, um dann - hopplabums - in der vierten Zeile buchstäblich eine ganz andere Richtung zu nehmen und mit der so unerwarteten Pointe einen verblüffenden Schlusspunkt setzt. Das ist klar schwieriger, als es tönt, ist aber sicher auch ein Grund, warum das Publikum so hohe Erwartungen an die Bänke stellt.



«Doggter FMH» in Aktion: Jää Sie… Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010


Auch theatralische Auftritte mit allerlei Requisiten haben so ihre Tücken. Selbst wenn der «Doggter FMH» da eine Ausnahme darstellt. Das Requisit kann so manche technischen Fallen bergen, zumal dessen Bedienung mit der Larve vor dem Gesicht nicht immer problemlos von sich geht. Auch lange oder gar nimmerendenwollende Verse, die meist auf den Reim setzen, nehmen nur zu oft der Pointe die Spitze. Die Pointe, die ja eben auf Deutsch Spitze heisst, muss stechen, vor allem unvermittelt. Und wenn man schon zu Beginn der ersten Zeile spürt, wohin die Pointe steuert - meist nur um des Reimes Willen -, dann ist die Luft am Ende draussen…

Manche Bänke pröbeln auch mit neuen Melodien, die auf modernere Art den «Sonnenschein herein» lassen sollen - die «klassische» Melodie der früheren Bänkler und respektlose Parodie auf die Heilsarmee. Wenns mit der neuen Melodie klappt, sind die Zuhörer durchaus bereit, den neuen Ton zu goutieren - zumal, wenn er aus populärem Schlager stammt.

Gleichwohl: Die solchermassen «verwebten» Sujets waren 2010: Silvio, Schwoobe, Gaddhafi und Merz, Nacktscanner und Nacktwanderer, Zolli-Affen, BaZ, Stücki, Schweinegrippe, Banker-Boni, Daten-CD oder Bebbi-Sagg.

Aber jetzt genug der langen Rede, dafür ein paar Müsterchen der kurzen Pointen:

• «Doggter FMH» zur «Schweschter Erika»:

e Notfall: Uff em Trottoir hän s’en gfunde,
mit eme riesige Schlänz - vo obe bis unde.
Schweschter, hän sie Noodle und Faade paggt?
s hett wiider e Bebbisagg verjaggt.


Der «Bebbi-Sagg», der blaue Kehricht-Plastiksack, der zwei Mal die Woche Basels Strassen ziert, ist für die einen Ärgernis, für die anderen Innovation - für die Schnitzelbänke aber allemal ein Sujet wert.

• «Heiri»:

Die Frau dert ääne het e dräggig Nasduech in dr Däsche.
Dä Herr het non em Brinzle d’Händ wieder emol nit gwäsche.
Nur kai Panik, händ kai Angscht, steere duet nur dr Gschtangg.
Gfährlig isch dä Kravatteträger: Dä schafft bi nere Bangg.


Die Pointe zielte auf die Boni-Bezüger und nicht auf den Herrn, der sich nach der Notdurft-Verrichtung nicht die Hände gewaschen hat oder die Dame mit dem schmutzigen Taschentuch. Dieser Bank hat übrigens seine Melodie ab Konserve gespielt: Techno-Sound, an dem das Publikum jedoch keinen Anstoss nahm.



Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010


• «Peperoni»

In jedem guete Tschobb, verglemmi,
hänn mer hit e Schwoobeschwemmi;
iiberall wird Hochdytsch gschwätzt, do froggsch di: Mues das syy?
Scho schaad, dass es kei Impfig git, geg soone Pandemie!


Zwei «Fliegen auf einen Schlag»: Der zunehmende Immigrantenstrom aus Deutschland in die wirtschaftlich interessantere Schweiz und die geschäftigen Massnahmen gegen eine ausbleibende Schweinegrippe-Pandemie.

Z’Italie het der Silvio
e Dom an d Biire iberkoo.
Dr Schaade haltet sich in Gränze, denn fiir sy Zytverdryyb,
brucht dä Maa sy Kopf jo nit: Do längt der Underlyyb.


Auch da: Zwei Pointen aufs Mal im selben Vers. Die Attacke auf Berlusconi und seine sexuellen Eskapaden.

Dr Facklam maint: «S wäär nit verkeert,
wenn me verdienti Basler eert.»
Är wott e Hanspi-Tschudi-Blatz - das duet mi inschpiriere,
zem fir e Morin meeglischt glyy, e Sagg-Gass z reserviere.


Ein Vorschlag zur Benennung eines neu gestalteten Platzes mit dem Namen eines verstorbenen Politikers ist Aufhänger zum Spott gegen einen farblosen amtierenden Politiker der grünen Fraktion.

Uf em Schuelraisli ins Appizäll,
wird s Doris rot und sait denn schnäll,
wo sie blutti Wanderer gseet: «Ueli - loss das blyybe!
Au die bescht Armee von dääre Wält kas Spaare ibertryybe.»


Der populistische SVP-Vertreter im Bundesrat wollte die «beste Armee der Welt» schaffen, scheiterte aber am Spar-Budget der Eidgenossenschaft, derweil eine «Nacktwanderer»-Mode das Appenzell weltweit zum Gespött machten.



Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010


Bim Fliege muess jetz sit em Jänner
au der Leuebärger duur e Scänner.
Do mäldet die Maschiine: «Dr Motiz dä darf mit,
bi däm kasch luege wie de wotsch - e Bombe isch das nit.»


Ein auf dem Sessel klebender Bundesrat wird vom «Nacktscanner» durchleuchtet und für harmlos befunden.

• «Singvogel»

Es git schyynts allergattig Lyt, wo in de Alpe
nur grad mit Wanderschueh beklaidet ummetschalpe
Was die ains Sunnecrème bruuche bis uf d Furka!
Elai vo doohär scho schpricht alles fir e Burka.


Auch da wieder eine Doppelpointe: Nackwanderer und das Thema Burkha im Anschluss an das Minarett-Verbot.

• «Fäärimaa»

Dr zwaihundertfuffzigscht Gedänggdaag vom Hebel, joo
dää isch wirgglig uss haiterem Himmel koo
dr Morin hett gsait, äär syyg nit undäätig bliebe
für d Fünfhundert-Joor-Fyyr isch d Reed scho gschriebe.


Johann Peter Hebel war immerhin der Dichter der Basler Stadthymne, was dem quasi selbsternannten Stadtpäsidenten offenbar kein Anlass war, sich für den 250. Gedenktag adäquat zu engagieren.



Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010


• «Stächpalme»

Jetz schluckt dä Maa us em Ticino
d BaZ nach siibe Boccalino.
Mi macht dä Deal vom Tettamanti scho ne bitz betroffe.
Tito, gibs doch zue: e sone Zytig chaufsch nur bsoffe.


Ein Finanz-Investor aus dem Tessin hat zu aller Überraschung die finanziell bedrängte Basler Zeitung gekauft.

• «Schnaabelwetzer»

Am Kannefäldplatz frogt ys ain: Wie kumm ych in d Friidmatt,
Mir zaige iim dr Wääg - hejoo, nit jede kennt die Stadt.
Är findi weeder Schloof no Rue, das isch verdeggel schlimm.
Är schafft drum bi dr Crédit-Suisse und hett sy CD nimm.


Die «Friedmatt» ist ein Flurname für ein Gebiet ausserhalb der Stadt, wo die psychiatrische Anstalt angesiedelt ist und wohin sich ein lebensmüder Bankangestellter begeben will - weil ihm seine Daten-CD abhanden gekommen ist.



Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2010


• «Die Blauäugige»

Dr Gaddhafi maint die Schwyyz, die isch e Schandflägg uf dr Aerde
drum soll s Tessin dr Banggeblatz - vom Berlusconi wärde.
Dr Sarkozy bikiemti Gänf - d Bruni Neuchâtel
und d Ziircher wurd er sälber nää - wel d Merkel die nit well.


Der libysche Diktator will die Schweiz Gevierteilen lassen, was den Baslern nur recht wäre, wenn er dafür die ungeliebten Zürcher bekommt, zumal sie sogar von den noch weniger geliebten Deutschen verschmäht würden.

Damit ist nun der Reigen der oben angetönten Sujets mehrheitlich geschlossen. Oder blieb eines vergessen? Ach ja, das da:

• «Hanslimaa»

Au z Ziiri isch d Geothermie im e Gäldloch verschwunde,
denn s haisse Wasser im Boode - das het me nit gfunde.
Z Basel hets grumplet - iiber d Ziircher kasch nur lache,
well die nid emool kenne - e richtigs Äärdbebe mache!


Tschau zämme…


Daas sinn die beschte vo de BebbiBängg

• D Käller-Assle


Will är mit jungem Gmies kutschiert
häns dr Polanski inhaftiert.
Ych weiss nit wirgglig was die händ.
Z Italie wirsch soo Bresidänt.


Wo dr Merz uus Libye retour kunnt.
Dängg ych mir, jää nai, dasch e digge Hund.
Schiggsch ain in d Wieschti wärs doch soo
dass dää nimme sotti retour koo.


Im Zyghuus kaa me jetzt, persee.
Waffe aller Art abgee.
Sii! Doo bin ych grad drbyy
und bring s Waalholz voo dr Frau verbyy.



• Di Grobschlächtige

My Noochber lacht sich e Peerlen aa
e schwaarzi uss Südafrikaa
Sy Hochzytsreis isch wundervoll
bis z Johannisburg am Flughaafezoll
Dört gseet är denn im Body Scanner:
Die sprintet s näggscht Joor bi de Männer.



• Dipflischysser

D Doodesazaig in dr Bylaag hinde
dr Sport duesch unter Wirtschaft finde
foot s Interview denn no a mit em Änd
hesch statt 20 Minute, d BaZ in de Händ.


Wenn Sie naime Naggtwanderer seen
wo grob in Richtig Elsass geen
blyybe sie ruehig, sisch nyt derby
so tscheggt me hitt am Flugplatz y.



Z Italie griegt dr Bresidente
e Dom an Grind, genau al dente;
mer verbiete drum, haissts uss Rom,
statt Minarett bi uns dr Dom.


•Dr Uffgweggt

Für “Körperwälte” wird nit sälte d Hutt abzooge
In Falte gleggt, neume versteggt oder verbooge.
S stellt sich ei Froog do, doch die isch e Bitz delikat
Isch ächt d Gigi Oehri au e Plastinat?

Wenn si di Ussstellig scho z Ziri durefiere
Kennt me denn nit grad alli Zircher plastiniere?


Heiss jo nit Gridj-ic oder Kos-ic, Lütt mit Nämme
Mit me –ic am Änd händ s Gfühl, si mien sich schämme
Drum darfsch das –ic gly stryche, wenn de drunter lyddsch
Und gnau wäg däm sing ych scho lang nymm Baseld- ic


Uff dr Boscht will y bigoscht e Brief uffgää
Aber dä am Schalter zää will en nit nää
S wärde do, meint är drno ganz resigniert
Statt de Briefe nur no Pöschtler wägspediert

Wird sone blaue Brief als B-Poscht frankiert
Bisch, wenn är akunnt, sowieso scho pensioniert.


• ZwaggZwuggel

Wenn Kotlett uff dr Karte schtoot,
denn gänn mer eych e guete Root:
denn verlanget richtigerwyys
vo däre Sau dr Impfusswyys!


• Giftnuudle

Ganz ooni Booni mien miir Bänggler Fasnacht mache
unsri Booni sinn dr Byyfall und au s Lache
und wenn s halt denne mit de Värsli nid so haut
no saag i eifach es het mer aine d Daate klaut



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Von Redaktion

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