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Artikel vom 30.01.2006

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Martin Zingg

Artikel vom 14.12.2005 (neu verlinkt)

Wie sehen Dinos heute aus?

Vorschlag für Sonntag, 18. Dezember 2005, anstatt Konsum-Sonntag: Besuch des Fricker Saurier-Museums, dem einzigen Museum mit einem vollständigen Skelett aus der Schweiz

Von Martin Zingg



Dino-Kreisel in Frick weist unübersehbar aufs Fricker Dino-Museums. Fotos und Legenden am Schluss dieses Artikels. Titel, Legenden und Foto-Recherche: J.-P. Lienhard



FRICK (AG).- Vielleicht ist bloss Platzmangel der Grund, vielleicht steckt auch mehr dahinter, eine gewisse Ironie jedenfalls lässt sich kaum übersehen: Wer das Fricker Saurier-Museum besuchen will, muss nämlich eine Treppe hinunter, in ein Kellergewölbe – und damit unter die Erdoberfläche von Frick, dorthin, wo die Dinosaurier schon Jahrmillionen lang gelegen haben.

Frick, ausgerechnet. In einem Faltblatt, das die aargauische Gemeinde für Interessierte bereithält, finden sich neben der obligaten Mini-Schweizerkarte mit den ausgezeichneten Verkehrsverbindungen auch diese Angaben: «346 Meter über Meer, Fläche: 996 ha, davon Wald: 297 ha, gegen 4000 Einwohner».

Frick liegt in einer waldreichen Hügellandschaft des Tafeljuras und ist für das obere Fricktal ein Wirtschafts-, Bildungs- und Einkaufszentrum. Die Gegend war schon in der Bronzezeit besiedelt, in der keltischen und römischen Zeit wurde hier Eisen gewonnen. 1701 erhielt der Flecken das Marktrecht, und ja, seit vierzig Jahren weiss man, dass hier auch Dinosaurier gelebt haben, lange vor uns. «Sie dürfen deshalb gewiss zu den ältesten Bewohnern von Frick gezählt werden», vermerkt das Faltblatt stolz.

1961 fand Ernst Wälchli, damals Laborchef der Tonwerke Frick, in der Tongrube des Werkes einen bläulichen Gesteinsbrocken, der ihm seltsam vorkam. Ammoniten und Muscheln wurden schon lange in dieser Grube ausgegraben, das war beinahe ein Volkssport. Aber was er in Händen hielt, waren versteinerte Knochenstücke – von einem Saurier.

Erstaunliche Schätze aus der Tongrube

Der ungewöhnliche Fund wurde zum Auftakt einer Serie von Ausgrabungen. Zunächst waren es noch private Kreise, die in der Tongrube Frick nach Saurierspuren gruben, später nahmen sich Geologen und Paläontologen der Universität Zürich der Suche an und waren überaus erfolgreich. 1985 wurde gar ein vollständiges Plateosaurus-Skelett entdeckt - das bisher einzige in der Schweiz - und in «Fundlage» präpariert: die fragilen, spröden Knochen blieben im Stein, wurden aber freigelegt.

1992 wurde dann im Untergeschoss des Schulhauses «1912» ein Museum eingerichtet, unter der Aufsicht einer «Saurierkommission». Hier sind seither die Funde zu besichtigen, jeden ersten und dritten Sonntagnachmittag im Monat, und gleich in Scharen strömen Eltern mit ihren Kindern in dieses Gewölbe, wo neben dem Skelett des Plateosaurus inzwischen auch ein Skelett an der Wand hängt, als Relief. Es wurde aus den Knochen von drei verschiedenen Tieren montiert, aus 2000 Knochenteilen insgesamt. Daneben sind weitere Fossilfunde ausgestellt, vor allem Ammoniten und einige Haifischzähne, die daran erinnern, dass die Gegend während einiger Millionen Jahre unter Wasser stand.

Acht Meter Körper, 40 Zentimeter Kopf…

Der Dinosaurier heisst mit vollem Namen Plateosaurus engelhardti. Zwischen sieben und acht Meter lang soll er gewesen sein, mit einem vergleichsweise kleinen Kopf von rund 40 Zentimetern Länge. Er war ein Pflanzenfresser, darauf deuten seine Zähne hin. Ob er aufrecht ging, ist ungewiss, möglich, dass er sich auf allen Vieren bewegte, da liegen die Theorien miteinander im Streit. Was das Alter angeht, scheint man sich hingegen weitgehend einig, etwa 210 Millionen sollen es her sein, dass der Plateosaurus lebte, ziemlich vage, natürlich, aber auf ein paar Millionen Jahre mehr oder weniger kommt es da nicht mehr an.

Warum ausgerechnet hier die Saurierdichte so gross ist und Frick inzwischen als die ergiebigste Saurierfundstelle Europas gilt, bleibt ein Rätsel. Das Gebiet lag lange Zeit in einer Tiefebene in Meeresnähe, das Klima war trocken, wenn auch nicht wüstenhaft, wir müssen uns die Gegend als Steppe denken. Bei plötzlichen heftigen Regengüssen konnte der Boden aufgeweicht werden, Sand rutschte weg und es bildeten sich Schlammlöcher. Denkbar, dass Dino hier eingesunken ist, in ein Schlammloch, das ist die eine Theorie.

Die andere Theorie vermutet, er sei, plötzliche Regengüsse auch hier vorausgesetzt, von einer Schlammlawine herbeigespült worden. Und auch so sei Dino in eine Falle geraten, aus der er erst rund 210 Millionen Jahre später befreit werden konnte, viel zu spät für ihn, natürlich.

Theorie und Phantasie - von beidem etwas

Wie auch immer, vermutlich haben beide Theorien etwas für sich, wer will sie schon widerlegen. Ohnehin hat, wer sich mit Sauriern befasst, mit grosszügigen Vermutungen und immensen Zeiträumen zu tun. Allein schon eine Zeitangabe wie «210 Millionen Jahre», die ohne weiteres nach oben oder unten korrigiert werden darf, sprengt jede Vorstellungskraft. Wie lange ist das, wie misst man diese Zeit? Unser Blick zurück reicht doch knapp bis zu unseren Urgrosseltern, weiter kaum. Wie ergeht es uns erst beim Blick in die Naturgeschichte? Ist denn auch immer gewiss, was wir sehen, wenn wir Knochenteile eines Wesens sehen, dessen letzte Vertreter vor rund 60 Millionen Jahren gestorben sind?

Die Überreste sind ja nicht unbedingt «schön», und – ausser für Fachleute – wohl auch nicht immer besonders aussagekräftig. Aber vermutlich sind das keine Kriterien, mit denen die Besucher vor die Überbleibsel dieses Wesens treten. Wer sich für Saurier interessiert, sieht die versteinerten Knochen als Belege an: es hat diese Tiere mal gegeben, das genügt.

Im Übrigen hält man sich wahrscheinlich vor allem an die farbigen Bilder, welche die Menschen sich von diesen Wesen machen. Ihre nicht nachlassende Beliebtheit bleibt erstaunlich; rätselhaft bleibt auch, warum ausgerechnet Kinder, die von der heutigen Tierwelt oft nicht so viel wissen wollen, sich die etwas lieblos kolorierten Hartgummi-Modelle wünschen und mit Leichtigkeit die Namen einiger Dutzend Saurier-Arten aufsagen können.

Modelle, die wissenschaftliche Erkenntnisse und Phantasie miteinander verschränken, gibt es übrigens schon lange. Die ersten lebensgrossen Kunstdinos schuf der englische Bildhauer Waterson Hawkins für die erste Weltausstellung von 1851 in London, zehn Jahre, nachdem Richard Owen das Wort Dinosaurier geprägt hatte.

Welche Farbe hatte der Dino?

Die Mühe, sich die genaueren Umstände vorzustellen, unter denen die Dinosaurier einst lebten, war schon immer gross. Und sie wird auch dadurch nicht kleiner, dass weltweit geforscht wird und die wissenschaftlichen Erkenntnisse immer umfangreicher werden, je ferner die untersuchten Zeiten rücken. So manches muss einfach offen bleiben, der Phantasie überlassen, und damit auch einer Unterhaltungsindustrie, die sich dieser Wesen mit grossem Aufwand angenommen hat und ihrerseits wiederum mögliche Phantasien prägt. Ein wenig gruselig sollen die Saurier schon sein, aber dann bitte doch wieder so, dass wohlige Schauer nicht ausgeschlossen sind. Wie im Film «Jurassic Parc».

Mit Effekten irgendwelcher Art hat das sympathisch kleine Saurier-Museum in Frick nichts im Sinn, zum Glück. Angenehm ernüchternd ist allein schon jene Vitrine mit dem Prunkstück des Museums: das Skelett liegt in genau der Position, in der es bei den Ausgrabungen angetroffen wurde. Sehen Dinosaurier heute tatsächlich so aus? Klein, gekrümmt und grau? Offensichtlich, nach rund 210 Millionen können sie so aussehen, beinahe schutzbedürftig und etwas verloren, erstaunlich harmlos und hinfällig. Was wir uns an Grösse, Grausamkeit und Tempo dieser Tiere auch hinzudenken mögen, es bleibt stets unsere Phantasie – und nichts in dem Kellergewölbe macht uns diese streitig.


Nützliche Angaben

Das Fricker Sauriermuseum, «das einzige Museum mit dem vollständigen Skelett eines Dinosauriers aus der Schweiz» (Eigenwerbung), befindet sich im Schulhaus «1912».

Es ist geöffnet jeden 1. und 3. Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr.

Führungen ausserhalb der regulären Öffnungszeiten sind jederzeit auf Anmeldung möglich: Tel. 062 871 53 83.

Anfahrt siehe Plan auf der Homepage unter untenstehendem Link.




Kreisel bei Frick: Das Dino-Viech ist viel grösser, als das in Frick gefundene und ausgestellte - weist dafür im echten wörtlichen Sinne «unübersehbar» auf das Saurier-Museum hin.




Das ist der «Erfinder» der Dinosaurier: Richard Owen. Allerdings «erfand» der britische Paläolontologe nicht die Urivecher, die gabs schon 250 Millionen Jahre vor ihm, sondern er prägte als erster das Wort «Dinosaurier». Hier stützt er sich an das Skelett-Fragment eines Moa Dinornis struthoides, einer flügellosen Riesen-Straussenart, die in Australien bis Anfang 19. Jahrhundert überlebte.




Noch einer, den ich gerne aus den Anfängen der «Dinosaurerier-Welle» im 19. Jahrhundert n.Chr. gezeigt hätte, ist der Bildhauer Waterson Hawkins, der als erster eine plastische Rekonstruktion eines Dinosauriers meisselte. Doch weder von einer seiner Dino-Statuen noch von ihm selbst lässt sich ein Bild aus dem Internet klauen, denn er ist als Künstler der 1. Weltausstellung von 1851 in London wohl komplett in Vergessenheit geraten. Immerhin fand ich eine zeitgenössische Darstellung aus dem Inneren der von Gottfried Semper 1851 gebauten Weltausstellungs-Halle für Kanada, worin man zwei Hirsche sieht (am rechten Rand), die vielleicht von Hawkins gemeisselt worden waren. (Semper ist übrigens der, der in Zürich das Polytechnikum entworfen hat).




Nicht ganz so feudal wie der Eingang zu Sempers Oper, aber immerhin repräsentativ ist der Eingang zum Sauriermuseum im Schulhaus «1912» von Frick.




Und so sieht der Saurier-Tresor im Schulhaus-Keller aus - ewas gruslig wirkt er bei diesen 250 Millionen Jahre alten Knochen schon (Hunde bitte anleinen)!




Was alles in der Fricker Lehmgrube zum Vorschein kam, war so viel Material, dass der Saurier-Keller doppelstöckig eingerichtet werden musste.




Der gut erhaltene Kopf des Plateosaurus engelhardti - präpariert gewissermassen als Relief. Man weiss nicht, welche Farbe die Saurier hatten, und ob sie mit Schuppen, Pelz oder gar Federn «bekleidet» waren…




Foto der ersten Grabung an der Saurier-Fundstelle in der Tongrube.




Monica Rümbeli (Mitte), die Aufsicht des Saurier-Museums Frick, bei der 1000. Führung.


Von Martin Zingg

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Homepage des Fricker Saurier-Museums


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