Anzeige:
Abschaltung

Artikel vom 30.11.2014

Druckversion

Cinéma

Some like it schwul

Seit 2011 die Homo-Ehe in New York erlaubt wurde, sind Schwulenfilme auch aus den USA in den Kinoprogrammen nicht mehr wegzudenken. Doch Filme über Homosexualität sind keine Modeerscheinung, es gab sie seit das Kino existiert

Von Ottokar Schnepf



Sven Schelker als Robin Ratt und Matthias Hungerbühler als Ernst Ostertag in «Der Kreis».


Homosexuelle outen sich. Das lesen, sehen, hören wir beinahe täglich. Schwul sein ist in. Auch das Kino profitiert davon. Der Anwärter auf einen Oscar als bester ausländischer Beitrag stammt aus der Schweiz. Der Film spielt Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre und schildert den Niedergang der Zürcher Schwulen-Organisation «Der Kreis». Diese setzte sich von 1943 bis 1967 für die Rechte der Homosexuellen ein. Die Geschichte fokussiert auf die Liebesgeschichte zwischen Ernst Ostertag und Röbi Rapp, die sich während der Schwulenrepressionen in Zürich kennen und lieben lernten, und kürzlich heirateten.
Für mehr hier klicken:

In den prüden USA wurde durch den Anfang der 1930er Jahre in Kraft getretenen und bis 1961 gültigen Hays-Code rigoros jede Darstellung von Homosexualität unterdrückt. Zumindest bis in die 70er Jahre ist gleichgeschlechtliche Liebe kein Thema für das US-Kino. Dadurch sahen sich die Regisseure zu teilweise interessanten Umgehungsstrategien gezwungen. Oder die Homosexualität wurde lediglich komödiantisch eingesetzt.

Hollywood und die Homosexualität

Ein gutes Beispiel ist Billy Wilders Some Iike It Hot aus dem Jahr 1959: Auf der Flucht vor Gangsterbossen sind Toni Curtis und Jack Lemmon als Frauen verkleidet unter den Namen Josephine und Daphne mit einem Damenorchester unterwegs. Der Millionär Osgood Fielding III verehrt Daphne und Joe macht als gespielter Millionär dem Bandmitglied Marilyn Monroe alias Sugar den Hof.
Während Joe sich immer schnell umzieht, um sich als vermeintlicher Millionär mit Sugar zu treffen, geht Jerry als Daphne mit Fielding aus. Beim stundenlangen Tango im Restaurant werden schon einmal die Rollen getauscht. Wieder im Zimmer erzählt Daphne seinem Freund Joe enthusiastisch, dass sie sich verlobt hat – mit Fielding.

Die Bemerkung von Joe, dass Jerry Fielding nicht heiraten kann, da er ja ein Mann ist, bringt Jerry nicht von seiner Begeisterung ab. Joe fragt, warum ein Mann einen anderen heiraten sollte. Und Jerry antwortet: Sicherheit. Jerry möchte Fielding nach der Zeremonie einweihen und dann eine monatliche Abfindung kassieren. Bei der Flucht am Ende gesteht Joe Sugar seine Lügen, was ihr nichts ausmacht, da sie ihn liebt. Dann versucht Daphne mit verschiedenen Ausreden, Fielding von der Heirat abzubringen, zuletzt gibt sich Jerry als Mann zu erkennen. Fielding antwortet nur: «Nobody is perfect!»…




Tony Curtis, Jack Lemmon, Marilyn Monroe in Billy Wilders Klassikerkomödie Some like it Hot»


Schwule Casablanca-Version

Offen mit der Homosexualität geht 1969 Stanley Donnen in Staircase um: Rex Harrison und Richard Burton spielen ein alterndes schwules Ehepaar, das sich gegenseitig permanent anzickt und doch nicht voneinander lassen kann. Der Film überrascht mit seiner Besetzung: Zwei als Frauenhelden bekannte Schauspieler verkörpern die schwulen Hauptrollen.

In The Boys in the Band hingegen porträtiert 1970 William Friedkin eine Gruppe schwuler Freunde, die sich auf einer Geburtstagsfeier treffen. Erstmals bestand das gesamte Personal eines Films aus schwulen Rollen. Seither sind Filme über Homosexuelle keine Seltenheit oder Sensation in der US-Filmproduktion.

Ebenfalls vom homosexuellen William Friedkin stammt der 10 Jahre später entstandene Thriller Cruising. Al Pacino spielt den Undercover-Cop Steve Burns, der in der New Yorker Sado-Maso- und Lederschwulenszene einen Serienmörder jagt. Dem Kinostart folgten massive Proteste von einigen Gruppen schwuler Aktivisten wegen der stereotypen Darstellung schwuler Lebensweisen.

In Kiss of the Spider-Woman (1985) sitzen der homosexuelle Luis (William Hurt) und der marxistische Revolutionär Valentin (Raul Julia) in einer Gefängniszelle und erzählen sich Filme, die in gewissem Sinne eine Allegorie zu ihrer Situation darstellen. Die beiden kommen sich näher, und das schwierige Liebesverhältnis wird zum Symbol des Films. Der Filmkritiker des San Francisco Cronicle beschrieb Kiss of the Spider-Woman als eine schwule Version von Casablanca.

Als erster Mainstream-Hollywood-Film, der sich kritisch mit dem gesellschaftlichen Umgang mit AIDS-Erkrankten und Homosexualität in den USA auseinandersetzte, gilt Philadelphia von Jonathan Dämme. Der schwule AIDS-Kranke Andrew Beckett (Tom Hanks) klagt mit Hilfe seines Anwalts Joe Miller (Denzel Washington), der anfangs eher eine Abneigung gegen Schwule hat, gegen seine Kündigung.




Heath Ledger und Jake Gyllenhaal sind zwei schwule Cowboys in Brokeback Mountain».


Schwuler Frankenstein

Eine teilweise fiktionale Geschichte über den letzten Lebensabschnitt des schwulen Frankenstein»-Regisseurs James Whale ist Gods and Monsters (1998). Der eigentlich homophobe Gärtner (Brendan Fraser) wird zunächst Objekt der Begierde, dann der letzte Freund des alten Whale (Ian McKellan). Eine wunderbare Hommage an den Altmeister des Melodramas, Douglas Sirk, liefert 2002 Todd Haynes mit Far from Heaven. In Amerika Ende der 1950er erwischt Cathy Whitaker (Julianne Moore) ihren Gatten Frank (Dennis Quaid) mit einem anderen Mann, während sie eine Zuneigung zum schwarzen Gärtner Raymond (Dennis Haysbert) empfindet.

Zehn Jahre ist es her, als der chinesische Regisseur Ang Lee in Hollywood eine über 20 Jahre dauernde Liebesgeschichte über zwei schwule Cowboys (Heath Ledger und Jake Gyllenhaal) drehte. Brokeback Mountain sorgte denn auch für erhebliches Aufsehen und teilweise Empörung vor allem in den USA. Der Begriff "Schwule Cowboys" stand bald für eine homoerotische bis homophobe Metapher. Dem Film wurde auch vorgeworfen, er propagiere einen "homosexuellen Lebensstil" und untergrabe christliche Wert- und Moralvorstellungen.

A Single Man ist Colin Firth als George in Tom Fords Film. Entstanden 2009 spielt die Geschichte an einem einzigen Tag, dem 30. November 1962. George ist Single, seit vor acht Monaten sein Lebenspartner Jim bei einem Autounfall tödlich verunglückt ist. 16 Jahre waren sie ein glückliches Paar. Jetzt hat George Albträume und schwere Depressionen, auch weil er seine Homosexualität geheim hält. Er beschliesst, sich das Leben zu nehmen, beginnt aber langsam an seinem Entschluss zu zweifeln. Einmal mehr glänzt hier Colin Firth in seiner Rolle, diesmal als schwuler Professor.

Nachdem 2011 die Homo-Ehe in New York legalisiert wird, heiraten Ben und George nach 39 gemeinsamen Jahren. Als daraufhin Georges Stelle als Musiklehrer an einer katholischen Kirche fristlos gekündigt wird, verlieren sie ihre Wohnung. George kommt bei einem benachbarten schwulen Polizisten-Paar unter; Ben wird von der Familie seines Neffen aufgenommen. Gereizte Rücksichtnahme, nagende Missstimmung und anderes mehr stellen die Freundschaften in den neuen Wohngemeinschaften immer wieder auf die Probe. Love Is Strange ist der treffende Titel dieser einfühlsamen Partnerschaftsstudie. (Demnächst im Kino).




Ben (John Lithgow) und George (Alfred Molina) sind in Love Is Strange nach 39 Jahren Zweisamkeit endlich glücklich verheiratet.

Fazit

Wesentlich mehr Filme über Homosexualität als diese kleine Mainstream-Hollywood-Auswahl kommen aus Europa, wo die Filmemacher explizierter auf das Thema eingehen.

Die Art, wie schwule Figuren inszeniert werden, sagt laut dem «Lexikon der Filmbegriffe» etwas über die in einer (heterosexuellen) Gesellschaft virulenten Vorstellungen über schwule Männer aus. Jahrzehntelang wird ihre Darstellung verboten, gemieden oder auf die Klischees der effeminierten Tunte oder des harten Lederkerls reduziert. Seit dem Beginn der Schwulen- und Lesbenbewegung zu Beginn der 1970er Jahre werden die negativen Vorurteile insofern durch positive ersetzt, als die Mainstream- Komödie heute regelmäßig auf schwule Nebenfiguren zurückgreift, die sich durch Harmlosigkeit und Austauschbarkeit auszeichnen.

Ernstzunehmende Darstellungen schwuler Figuren sind oft an die Existenz schwuler Filmemacher gebunden, die seit den 1980er und 1990er Jahren den heterosexuellen Konzepten realistische Entwürfe schwuler Lebenslogiken und Figuren entgegenstellen.

Eine eigenständige «schwule» oder «lesbische» Ästhetik (schwuler/lesbischer Filmemacher und Filmemacherinnen) findet sich in cineastischen oder intellektuellen Nischen; sie ist vom Mainstream-Kino aber strikt zu unterscheiden. Hier sind solche Einflüsse nach wie vor marginal.

Von Ottokar Schnepf


Klicken Sie hier, wenn Sie fortan bei neuen Artikeln dieses Autors benachrichtigt werden wollen!


Anzeige:

PlagScan



Nach oben


Copyright © 2003 by webjournal.ch

 

Die Funktion Newsletter ist wegen Spam blockiert. Schreiben Sie eine Mail an info(ad)webjournal.ch mit dem Betreff: «Bitte newsletter zusenden» Besten Dank für Ihr Verständnis.