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Artikel vom 29.08.2007

Rubrikübergreifendes

Äxbäx - Luzern baut Opernhaus

Ein KKL II nach den Ideen von Pierre Boulez, der doch eher in Basel zuhause ist…

Von Jürg-Peter Lienhard



Auf das KKL Nummer 1 folgt bald das KKL Nummer 2: Das erst neunjährige Kongress- und Kulturzentrum Luzern per Telebojektiv fotografiert von J.-P. Lienhard, Basel © 2007


Während sich Basel von kleinkarierten Beizern ein Musikhaus auf internationalem Niveau verhindern liess, ist am Mittwoch, 29. August 2007, in Luzern das Projekt eines KKL Nummer zwei, ein Haus für traditionelle Opern und für zeitgenössisches Musiktheater vorgestellt worden. Basel indes rüstet zur Euro 08 und glaubt geldgeil, dass ihm die damit verbundene Reklame was einbringt - was wozu?



Ein kühner Wurf, ein Bild, das täglich um die Welt verschickt wird: Das imposante Vordach des KKL, entworfen von Jean Nouvel. Foto: J.-P. Lienhard, Basel ©2007


Die Luzerner muss man ernst nehmen, und als Basler muss man sie jetzt auch noch tief beneiden. Sie haben das Kultur- und Kongresszentrum (KKL) vom Architekten Jean Nouvel am Europaplatz (sic!) bauen lassen und sind damit im Festspielbereich für Musik an die Weltspitze gelangt - unter dem Sterbebett des Pilatus, dessen Panorama schon immer Anziehungspunkt für Touristen aus der ganzen Welt war.

Und auch in Sachen Mäzenatentum muss sich die Waldstätten-Hauptstadt in der französisch korrekt «Suisse primitive» genannten Urschweiz von Basel nix vormachen lassen: Die 100 Millionen, die das bis 2011 fertiggestellte neue Haus kostet, sind bereits locker aus den Ärmeln kultur- und wirtschaftsbewusster Luzerner geschüttelt worden. Nur für die Betriebskosten müssen Stadt und Kanton dann zur Kasse gebeten werden, aber der Zulauf an Gästen und Künstlern in diesem Mekka des Schweizer Tourismus sowie die doch unschätzbaren aber wirklichen Ausstrahlungen auf die Wirtschaft werden die Rechnung bestimmt mehr als ausgleichen: Wo man singt, da lassen sich Steuerzahler nieder, denn Rappenspalter kennen keine Lieder…

Für Basel ist dieses zweite Grossprojekt im Kultursektor nach nur neun Jahren seit der Eröffnung des KKL ein besonders erbärmlicher Schämer: Die Idee geht ausgerechnet auf Pierre Boulez zurück, der als Freund von Paul Sacher in dessen Stiftung auf dem Münsterplatz in Basel fast mehr zuhause war, als in Paris am Ircam. Und in Basel leitete Boulez in den sechziger Jahren seine sagenhaften Dirigentenkurse, dirigierte das Roche-Jubiläumskonzert im Stadttheater und eines der ersten Konzerte des neuen Basler Symphonieorchesters. Während alle Partituren und Korrespondenzen Boulez‘s in der Paul-Sacher-Stiftung vom weltweit renommiertesten Boulezforscher Robert Piencikowski akribisch gesammelt und archiviert werden, ist der betagte Boulez in Basel im Hotel Drei Könige auch schon mal von der Polizei aus dem Bett geholt und beinahe verhaftet worden…

Die Idee Boulez‘s ist die Idee einer «Salle modulable», eines Aufführungsortes, der sowohl traditionellen Opern wie auch Experimenten von modernem Musiktheater gerecht werden kann. Das KKL nämlich eignet sich nicht für Opernaufführungen, denn es ist allein als Konzert- und Kongresshaus gebaut worden. Allerdings bezahlte auch Paul Sacher, neben dem umstrittenen Milliardär Marc Rich, etliche Millionen an seinen Neubau - weiss man in Luzern unter vorgehaltener Hand zu tratschen…

Boulez wollte seine Idee der «Salle modulable» schon einmal umgesetzt haben: In den achtziger Jahren in Paris an der Opéra de la Bastille, wo man schliesslich aber vom Projekt nichts wissen wollte. Boulez jedoch blieb bei seiner Idee, denn die stets konventionell gebauten Opernhäuser lassen zu wenig Spielraum für Experimente mit neuem Musiktheater zu. Und Boulez hatte mal gefordert, man müsse die Opernhäuser in die Luft sprengen…

Das neue Haus soll 10‘000 Quadratmeter Fläche und 1‘000 Sitzplätze aufweisen, wie der Intendant des Lucerne Festivals, Michael Häfliger, an der Pressekonferenz vom Mittwoch, 29. August 2007, erklärte. Allerdings ist der Standort noch nicht definitiv bestimmt, könnte aber gut und gerne nur einen Steinwurf vom KKL Nummer eins entfernt sein - ein Gelände hat Häfliger jedenfalls schon im Auge.

Geplant ist ein internationaler Wettbewerb und die Eröffnung im Jahr 2011 oder spätestens 2012. Dann machts in Richtung Basel: «Äxbäx», und Luzern und nicht Basel steht an der Musikfront an der Weltspitze - gemeinsam mit Salzburg… Dann wird auch Basel als «Fussballstadt» vergessen sein, denn die nächste Hauptstadt der Fussballdeppen wird dereinst den Schatten des Vergessens über Basel gelegt haben…




Der Dirigent, der eigentlich zu Basel gehörte und mit ihm auch ein entsprechender Musiksaal, was die Basler Kleinbürger nicht wollten: Pierre Boulez mit Golfmütze, umringt von Freunden und Studenten. Von Links: Hans, Boulez' Diener; Robert Piencikowski (mit Hut), Musikwissenschafter und Boulez-Archivar bei der Paul-Sacher-Stiftung; Claudia Vincis, Hauptarchivarin bei Luigi Nono in Venedig; J.-P. Lienhard; Régine Kopp, Kulturrepräsentantin; Paolo Dal Molin, Oberassistent an der Universität Rouen. Foto am 6. Januar 2003 vor dem Restaurant «Schlüsselzunft» von einem unbekannten holländischen Touristen aufgenommen.

Von Jürg-Peter Lienhard



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