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Artikel vom 18.11.2005

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Basel - Kultur

Wieder einer weniger…

Er war der Wiederentdecker des literarischen Kriminalromans in der Tradition Friedrich Glausers - noch vor Hansjörg Schneiders «Kommissar Hunkeler»…

Von Jürg-Peter Lienhard



Diese Foto von Werner Schmidli aus dem Literarischen Archiv der UB ist derart gut gelungen, weil sie den Schriftsteller so zeigt, wie er, wenn er gutgelaunt war, eben wirkte: etwas schlitzohrig - «Das Schlitzohr» heisst denn einer seiner wunderbar stimmungsvollen Kriminalromane.



BASEL.- Basel hat wieder einen weniger - einer, der Basel guttut, oder eben guttat: Mit einer gewissen Bestürzung meldete der Gründer des Literaturfestivals Basel und Initiant der Buchmesse «BuchBasel», Matthyas Jenny, in der «Basler Zeitung» vom Freitag, 18. November 2005, den Tod von Werner Schmidli: «Der Verkannte», heisst der Titel des Nachrufs. «Verkannt» mag Schmidli wohl beim grossen Publikum, bei den Verlagen oder eben auch in der «Basler Zeitung» sein, doch, wer ihn kannte, las ihn gerne, auch wenn er persönlich oft rüpelhafte Manieren hatte…

Das muss gesagt werden: Werner Schmidli hatte keine Chance, aber er blieb sich «stur» treu, bis zu seinem Tod, der ihn wohl aus seiner Sackgasse der Verbitterung erlöste. Sein Wesen war zwiespältig, indem er ruppig und zuweilen ordinär seine Ablehnung von irgendwas abstrafte, dann aber äusserst sanftmütig und verständig auf ein Thema einging, wovon man erwartete, dass er es eigentlich vertrampeln würde…

Ich war deshalb gegenüber Schmidli stets etwas vorsichtig, doch er mochte mich gerne. Dies, so weiss ich inzwischen, kam nicht nur davon, dass ich mich immer über seine Arbeit erkundigte, wenn ich ihn traf, sondern weil er mein journalistisches Engagement in der «Schlumpf-Affäre» verfolgte.

Gleichwohl wollte eigenartigerweise nie ein richtiges Gespräch aufkommen, wie er in seinem in der damaligen «NZ am Wochenende» in den von Aurel Schmidt initiierten «Tagebüchern der Schriftsteller» notierte: Ich traf ihn in der Badeanstalt «Bachgraben», wo er sich so gerne briet. Sich braten lassen, war ihm lieber, als ein «Small-Talk-Gespräch». Hingegen reagierte er sofort mit einem ausführlichen schriftlichen Konzept zu einer meiner - wie so oft - am Geld gescheiterten Ideen…

Warum wurde Schmidli in der Literatur-Szene nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die ihm eigentlich noch vor Hansjörg Schneider zukommt? Schmidli war der Begründer der sogenannten Arbeiterliteratur, einer Gattung, die damals nicht nur als «Unwort» von den Literatur-Koryphäen verhöhnt, sondern auch aus ideologischen Gründen verteufelt wurde.

Schmidli war ein «Arbeiterkind», der in der Basler Chemie als Laborant arbeitete, bis er sich eines Tages aufs Velo schwang und beschloss, Schriftsteller zu werden. Ein Schriftsteller, der im Bewusstsein des Arbeiters schreiben wollte, was er in seiner Umgebung, am Arbeitsplatz und (!) in Basel erlebte. Nicht, was vom literarischen Olymp herunter den Feuilleton-Rezensenten gefiel.

Gleich sein erstes Buch gefiel Hansruedi Linder, Feuilleton-Chef der damaligen «National-Zeitung» und Vorläuferin der heutigen «baz»: «Meinetwegen soll es doch schneien», erschienen in der sagenhaften Reihe «Benziger Broschur» des inzwischen vergrabenen Verlages Benziger. Hansruedi Linder druckte ihn als Fortsetzung in der «National-Zeitung» ab. Die Reaktionen auf diesen «Arbeiterliteratur»-Roman unter den Literatur-«Kennern» waren heftig, unfair und absolut überheblich, ja ganz klar ideologisch verbrämt!

Ideologisch verbrämt, weil Schmidli, wie damals fast alle neu in Erscheinung tretenden Schweizer Autoren der Nachkriegsgeneration, sich als «Linke» bekannten oder - wie Schmidli - der kommunistischen «Partei der Arbeit» beitraten. Damit verpatzte er sich seine «Chance»… Welche «Chance»? Die, von Feuilleton-Rezensenten gelobten Besprechungen?

Schmidlis Romane erlebten Auflagen in den Hunderttausenden, was aber hierzulande nicht zur Kenntnis genommen werden wollte, denn die Riesenauflagen kamen nicht im «freien Westen», sondern in der DDR und, russisch übersetzt, in der Sowjetunion heraus… Schmidli freilich hat davon weder finanziell noch erfolgmässig profitieren können: Sein «symbolisches» Honorar konnte er nicht in Schweizer Franken umwandeln…

Doch Schmidli blieb dran, blieb hartnäckig, und es gab immer wieder Verleger, die den Mut hatten, seine Bücher herauszugeben. Es folgten auch Preise - er erlebte eine gewisse Anerkennung. Nur: die blieb ihm gleichwohl im erhofften Rahmen verwehrt, hat er doch öfters unvorsichtig seine Pläne und Ideen in Kollegenkreisen ausgeplaudert.

Er war bis zu seinem Tod davon überzeugt, dass er seinen Kollegen Hansjörg Schneider auf die Spuren von Friedrich Glauser geführt habe, und dass Schneider ihm die Wiederentdeckung des literarischen Kriminalromans «entwendete». Wenn man beide - Schneider und Schmidli - kennt, kann man nicht von der Hand weisen, dass dies sogar zutrifft. Schmidli behauptete, dass er nie so eine Ideen-Pause hatte wie Schneider, und dass sich Schneider dann bei ihm bediente, ohne je sich erkenntlich zu zeigen: In Literaten-Kreisen gilt das Wort eben mehr als Geld, das eben erst dann zu rollen beginnt, wenn ein Wort gesprochen und damit gehört worden ist…

Den Streit bewerten will ich indessen nicht - aber er zeigt, wie sich Verbitterung in Schmidlis Schaffen einschlich, und wie er schliesslich zu seinem Ruf des «Verkannten» gekommen ist. Nur: Schmidli ist lesenswert; Schmidli hat etwas zu sagen!

In den letzten Wochen habe ich ihn mehrmals angerufen, um ihn zur Mitarbeit auf webjournal.ch zu bewegen. Er war nie zu Hause, und auf meine Mitteilung auf seinem Telefonbeantworter antwortete er nicht. Er war wohl in einer seiner Beizen im Elsass, wo er nachmittags in der leeren Gaststube bei seinen stets leergetrunkenen Schoppen an seinen Büchern schrieb. Die Beizen wechselte er jeweils, wenn er zu oft angequatscht wurde oder er Krach mit irgendwelchen Proleten erhielt, zu denen er keine Berührungsängste hatte…

Er ruhe in Frieden, und ich habe eine gute Erinnerung an ihn. An ihn, der Basel guttut!

Lesen Sie seine weniger persönlich gefärbte Biographie des Literarischen Archivs der Universitätsbibliothek Basel sowie das Literaturverzeichnis seiner Werke via untenstehendem Link.



http://www.ub.unibas.ch/spez/bla/bla_schmidli_werner.htm

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Werner Schmidlis Biographie und Literaturverzeichnis


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