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Artikel vom 11.09.2005

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Reusdals Räuspern

Die Schweiz und der Volkswille

Worüber wird am 25. September 2005 abgestimmt?

Von Mitch Reusdal



Ja oder nein zur Personenfreizügigkeits-Abstimmung in der Schweiz vom 25. September 2005: Werbung der Befürworter…



In der Schweiz ist es der Souverän, die Gesamtheit aller stimm- und wahlberechtigten Schweizer und Schweizerinnen, der sagt, was geschieht. Wehe nur, wenn der Abstimmungsausgang anders auszugehen droht als angenommen.

Der Volkswille ist etwas, das in der Schweiz hoch gehalten wird. Haushoch. Alle berufen sich darauf, die Politiker voran. Was sie damit meinen, ist nicht ganz klar. Meistens verstehen sie darunter allein ihre eigenen Überzeugungen.

Was könnte Volkswille tatsächlich heissen? Dass das Volk – oder in der Schweiz der Souverän, wie der Ausdruck lautet – das letzte Wort hat; dass es entscheidet, was geschieht. Das ist nur allein schon deshalb eine Illusion, weil es «das Volk» gar nicht gibt – oder weil das Volk sich aus Befürwortern und Gegnern einer Sache oder Person zusammensetzt und der Begriff darum nicht genau wiedergibt, wer wirklich gemeint ist.

Aus diesem Grund hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass mit dem Volk immer eine Mehrheit von ihm gemeint ist. Das ist keine optimale Lösung, aber die beste, die es gibt.

Das Volk und sein Wille: In der Schweiz ist ihm, mit Initiative und Referendum, ein breiter Aktionsraum garantiert. In anderen europäischen Ländern oder der EU sind ihm Schranken gesetzt, wo das Volk alle paar Jahre ein Parlament wählt , dem es dann ausgesetzt ist. In der Schweiz dagegen können die Menschen grossen Einfluss auf die Politik nehmen – vorausgesetzt, dass sie es wollen.

Manchmal wird sogar behauptet, das Volk stelle in der helvetischen Konsens-Demokratie die Opposition dar. Die Vorteile der Demokratie gelten auch dann, wenn sich längst erwiesen hat, dass in immer mehr Fragen nicht das Volk zuständig ist, sondern zum Beispiel Wirtschaftsinteressen oder internationale Verpflichtungen den Ausschlag geben.

Dafür und dagegen

Eins ist sicher: Der viel beschworene Volkswille wird zur Farce, wenn über eine Sachvorlage abgestimmt werden soll, bei welcher der Ausgang im Voraus entschieden ist. In vielen Fällen haben wir erlebt, wie die schrecklichsten Folgen an die Wand gemalt werden, wenn das Volk, dieser nützliche Idiot, auf die Idee kommen könnte, sich nicht an die Weisungen von Bund, Parteien und politischen Organisation zu halten und die ausgegebenen Abstimmungsparolen in den Wind zu schlagen. Wie hatte Friedrich Dürrenmatt gesagt? «Wir haben gehorsame Demokraten zu sein» (in: «Monstervortrag»).

Am 25. September 2005 werden Schweizer und Schweizerinnen über die sogenannte Freizügigkeit abstimmen, das heisst über den freien Personenverkehr mit den zehn neuen Mitgliedstaaten der EU. Der Abstimmungskampf ist in vollem Gang.

Aber er hat einen Haken: Entweder wird die Vorlage abgelehnt, dann stehen die im Lauf der Jahre ausgearbeiteten bilateralen Beziehungen der Schweiz mit der EU auf dem Spiel. Oder das Volk muss, ohne seinen Willen durchsetzen zu können, die Personenfreizügigkeit in einem formellen Akt einführen und vollziehen – und über sich ergehen lassen.

Es gibt gute Gründe für die Vorlage und gegen sie. Die Schweiz bildet längst einen Teil von Europa, etwas anderes zu sagen wäre Augenwischerei. Ausserdem bringt die Personenfreizügigkeit, wie sie vorgesehen ist, der Schweiz Vorteile. Sie birgt aber auch die reale Gefahr von Lohndumping und Sozialabbau in sich. Darum der Widerstand, der sich gebildet hat.


Abstimmen heisst auch, nein sagen können

Was bei der bevorstehenden Abstimmung auch herauskommen wird, es wird ein unbefriedigendes Ergebnis sein. Von rechts bis links und im gemischten Chörli von Bund, Parteien, Arbeitgebern und Gewerkschaften wird Zustimmung zur Vorlage erwartet. Der Druck auf das Volk ist erdrückend, von freier Meinungsbildung kann keine Rede sein. Die Gegner haben keine Lobby. Entweder Ja – oder das Debakel.

Haben die Menschen in der Schweiz überhaupt eine Wahl? Gibt es eine Alternative, oder bedeutet ein Nein eine existenziellen Bedrohung der Schweiz? Wieviel haben die Befürworter, im Verhältnis zu den Gegnern, für Werbung ausgegeben, und warum? Wenn wir schon abstimmen, müssen wir auch nein sagen können und das Ergebnis hinnehmen, wenn dies der Überzeugung eines Teils der Bevölkerung entspricht und sich auf diese Weise der Volkswille manifestiert, der doch so viel gilt.

Sonst ist es heuchlerisch, das Volk zu fragen, aber den sogenannten Volkswille zu benützen – oder zu beeinflussen –, um Beschlüsse absegnen zu lassen, die längst gefallen sind.



…und Werbung der Gegner.

Von Mitch Reusdal

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Offizielle Informationen des eidgenössischen Parlamentes zum 25.9.2005 (deutsch/français/italiano)


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