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Artikel vom 03.05.2005

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Pathologie

Postume Diagnose: Magenkrebs!

Basler Pathologen glauben die Todesursache Napoleons aufgrund der Bundweite seiner Hosen diagnostiziert zu haben

Von Jürg-Peter Lienhard



Vorher-/Nachher-Vergleich von Napoleons Hosenbund ergab die postume Diagnose: Magenkrebs! Fotos: TeleBasel



BASEL. Muss das letzte Kapitel im Leben Napoleon Buonapartes neu geschrieben werden? Nicht hinterlistige Vergiftung durch seine Todfeinde, die Engländer, haben seinem Leben ein Ende gesetzt, sondern eine der damals häufigsten Erkrankungen - der Magenkrebs. Der in Basel tätige Pathologe Alessandro Lugli und sein Team jedenfalls glauben, die Todesursache des je nach Lesart «Heroen» oder «Diktators» statistisch erforscht zu haben.

Napoleon Bonaparte starb am 5. Mai 1821 auf der Insel St. Helena, im Exil, in der englischen Verbannung im Südatlantik vor Afrika. Die «Bonapartisten» in Frankreich beschuldigten die Engländer, ihr Idol mit Arsen vergiftet zu haben.

Bis heute hält sich dieses Gerücht und fand zudem durch zeitgenössische Untersuchungen des im Pariser Dôme des Invalides aufgebahrten Leichnams Nahrung: Im Haar des Diktators wurden Arsenspuren gefunden.



Teamleiter der Basler Napoleon-Forscher Alessandro Lugli.



Ein Team von Pathologen um Alessandro Lugli am Institut für Pathologie der Universitätsklinik Basel glaubt, nun die wahre Todesursache Magenkrebs aufgrund der Hosen des «Kaisers der Franzosen» belegen zu können. Magenkrebs geht nämlich bis zum Eintreten des Todes einher mit einem signifikanten Gewichtsverlust, was Lugli aufgrund der Klagen seiner Ehefrau auf die Idee mit den Hosen Napoleons brachte:

Luglis Frau meckerte, dass der langsam ins gestandne Mannsalter eintretende Pathologe von Mal zu Mal Hosen mit grösserer Bundweite brauchte: Lugli erkannte, dass Gewicht und Bundweite einen Zusammenhang haben, und die Pariser Museen, die Napoleons Hosen aufbewahrten, stellten diese dem Basler Pathologen-Team zur Verfügung.



Der Blick in Napoleons Hose verriet die Todesursache.



Um die postume Diagnose-Idee wissenschaftlich abzustützen, befragten die Pathologen 121 Männer ihres Bekanntenkreises nach Bundweite, Körpergrösse und -Gewicht. Die so zusammengetragenen Daten ergaben einen Bodymass-Index, den sie nun auf Napoleons Beinkleider anwendeten. Und siehe da: Das Gewicht von Napoleon kletterte in den Jahren von 1804 bis 1820 – bei einer Grösse von 167 Zentimetern – von 67,8 auf stolze 90,7 Kilo. In den letzten Monaten ging es hingegen um 11 bis 14 Kilo auf unter 80 Kilo zurück. Ein eindeutiges Indiz für Magenkrebs, sagen die Basler Pathologen.

Und sie sahen sich darin bestätigt, was schon Napoleons Leibarzt Francesco Antommarchi, der nach dem Tod Napoleons eine Autopsie durchführte, befand: der gestürzte französische Kaiser starb an Magenkrebs. Doch um 1955, mit der erstmals gedruckten Veröffentlichung der Memoiren von Napoleons Kammerdiener Louis Marchand, sahen sich Forscher bestärkt, diesen Befund anzuzweifeln. Napoleon sei zu dick gewesen, um an Magenkrebs gestorben zu sein, argumentierten sie.



Der kleine Dicke in seiner Hose, düstere Gedanken schmiedend.



Übergewicht schliesst Magenkrebs nicht aus, sagen demgegenüber die Basler Pathologen; massgeblich sei der Gewichtsverlauf. Gegen die Vergiftungs-Theorie spreche, dass des Kaisers Haare schon Jahre vor seinem Tod Arsenspuren aufwiesen. Wahrscheinlich, weil die Bauern ihre Weinfässer damit zu reinigen pflegten. Und Napoleon Bonaparte genoss bekannterweise sehr gerne Wein.

Übrigens wurden im Basler Institut für Pathologie schon früher prominente Tote auf deren Todesursachen untersucht. So beispielsweise an der Leiche des im Basler Münster begrabenen Erasmus von Rotterdam, der aufgrund der Knochenbefunde infolge Syphilis starb. Im protestantischen Basel durfte diese Diagnose aber vorerst nicht veröffentlicht werden, weil man der Ansicht war, dass ein so grosser Humanist wie Erasmus von Rotterdam nicht in Hurenkreisen herumvögelte. Doch das war zu Zeiten Rotterdams - und bis in unsere Zeit hinein - ein ganz normales bürgerliches Vergnügen - oder sagen wir: Bedürfnis.



Stich mit der phantasievollen Darstellung des sterbenden Napoleon in seinem Exil auf St. Helena. Bei seinem Aushauchen haben ihn wohl kaum so viel Kind und Kegel umringt - zumal das Bett an der Wand stand…



Der von den Engländern nach dessen vernichtender Niederlage im belgischen Waterloo (flämisch, ausgesprochen: Waterloo) verbannte, also inhaftierte, Kaiser hat mit seinen Revolutionskriegen grosses Leid über ganz Europa gebracht. Millionen von Soldaten kamen in seinen spektakulären Siegen und Niederlagen um. Die Engländer, die ihn zusammen mit den Russen und den Österreichern bei Waterloo vernichtend schlugen, hatten also allen Grund ihn zu hassen.

Andererseits hat er, gesegnet mit genialischen Fähigkeiten, Europa während seiner Zeit und danach bis in unsere Gegenwart politisch beeinflusst: In der Schweiz beispielsweise die territorialen Grundzüge der heutigen Eidgenossenschaft, die Abschaffung der Untertanen-Kantone, die Entmachtung des Berner Patriziertums. Die Plünderung des Berner Staatsschatzes zur Finanzierung seiner Armeen und die organisierten Raubzüge seiner Soldaten haben zur einzigen Hungersnot in der Geschichte der Eidgenossenschaft geführt. In vielen Kantonen gilt er noch heute als Tyrann, während er in den ehemaligen Untertanengebieten als «Befreier» vom Joch der Alten Eidgenossenschaft angesehen wird.

Magenkrebs - eine häufige Todesursache

Magenkrebs war bis in unsere Zeit hinein eine häufige und vor allem gefürchtete Erkrankung. Gefürchtet besonders wegen der unmenschlichen Schmerzen, die sie bereitete, bevor schmerzstillende Medikamente wie Morphium eingesetzt wurden.

Die Ursache der Häufigkeit kennt man heute: Die Ernährung mit Räucherwaren, die man sich so gerne romantisch «apettitlich» im offenen Kamin hängend vorstellt. Wurst und Speck blieben oft vom Herbst bis in den Frühling im Rauchfang hängen; es entwickelten sich so ideal in den Räucherwaren kanzerogene Stoffe, die zu echten Magenkrebs-Bomben wurden. Das konnte Napoleon allerdings noch nicht wissen, denn diese Ursache wurde erst in unserer Zeit entdeckt…

PS: Die neuere Form «posthum» (mit h) ist laut Duden eine «volksetymologische» Anlehnung an den lateinischen Humus.

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Wie über Napoleons Todesursache spekuliert wird

• «Napoleon auf dem Totenbette»

• Infos von der Pressekonferenz des Instituts für Pathologie Basel


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