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Artikel vom 27.11.2003

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Nebenbei bemerkt

Geschäft ist Geschäft

Cigarettes, Chocolat, Kaugummi, Mikaamuu…

Von Reinhardt Stumm

Das kleine Frühstück wäre doch auch noch was fürs Postamt! Man steht sich ja oft genug die Beine in den Bauch und hat schon gar keine Energie mehr, sich darüber zu ärgern, dass man spielend einen Vormittag im Postamt verbringen kann, um eine eingeschriebene Sendung abzuholen. Da wären doch ein Kaffee und ein Gipfeli für vier Franken achtzig eine wunderbare Nebenausgabe?

Aber jetzt ist ja Abhilfe geschaffen. Jetzt gibt es in diesen kleinen Ramschläden in den Mitten der Schalterhallen endlich was zum Lesen. Nicht Zeitungen, Bücher! Richtig dicke Bücher. Auf jedem klebt der einladende Zettel «Bestseller». Offenbar reissen sich die Leute diese Schinken gegenseitig aus den Händen. Erlesene Literatur. Bücher aus weltberühmten Verlagen Goldmann oder Blanvalet, Ullstein oder Heyne oder - welche Leistung - Bastei/Lübbe, der seine Heftchen millionenweise an die Kioske liefert.

Diese Bestseller-Autoren heissen Waris Dirie, Siba Shakib oder Katherine Scholes, heissen Dan Brown und Nora Roberts und Danielle Steel, Robin Pilcher (ja, Robin, nicht Rosamunde) oder Elizabeth George - und von allen kann man gleichermassen sagen, dass das Papier zu schade ist für den Schrott, der draufgedruckt wird. Aber das ist ein alter Hut, darüber braucht sich niemand mehr aufzuregen. Es gibt Leute, die diesen Müll verschlingen wie - ach, suchen sie sich selber ein Beispiel.

Aufregen kann man sich eigentlich nur noch darüber, dass unsere Postämter - immerhin eines der öffentlichsten Institute einer Nation, die sich gern als Kulturnation darstellt und anpreist - diesen Müll verkaufen. Und offenbar auch loswerden. Deprimierend genug.

«Super U», eine französische Supermarktkette, verkauft auch CD's und DVD's und Videokassetten und Bücher. Auch Schrott. Aber du glaubst es nicht, vor zwei Wochen habe ich in einem «Super U» ein Bändchen Voltaire - Candide (1750) - und ein Bändchen Racine - Bérénice (1670) - aus dem Büchergestell gefischt. Ich sah auch noch Baudelaire, Rimbaud, Heine (der Deutsche! In Übersetzung!). Preis pro Band zwei Euro (drei Franken)!

Chapeau. Ich verstehe, was Kulturnation heisst. Ich verstehe es immer besser.

Von Reinhardt Stumm

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