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Artikel vom 20.12.2015

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Oper

Conchita Wurst als Papageno in der Basler «Zauberflöte»

Die Premiere von Mozarts letzter Oper am Theater Basel hat das Publikum zwar wohlwollend anhaltend applaudiert, aber die Regie entzauberte die «Zauberflöte»

Von Jürg-Peter Lienhard



Gewöhnungsbedürftige Kostüme in der Basler Inszenierung der «Zauberflöte»: Zum Beispiel Papagenos Tunten-Kostüm, selbst wenn der Vogelfänger gemäss der überlieferten Abbildung der Wiener Uraufführung nicht viel bizarrer ausgesehen hat. Fotos zVg Sandra Then


Nach einer sensationell beeindruckenden «Chowanschtschina» mit ihren wuchtigen Bühnenbildern und dem Grossaufgebot an Mitwirkenden, durfte das Opernpublikum am Samstag, 19. Dezember 2015, im Theater Basel der zweiten Opernpremiere der neuen Direktions-Aera unter Andreas Beck sehr gespannt entgegensehen. Optisch ist die «Zauberflöte» aber, gelinde gesagt, sehr gewöhnungsbedürftig, während sie musikalisch und gesanglich die Erwartungen erfüllt und mit einigen Höhepunkten gar brilliert. Für mehr hier klicken:

Die «Zauberflöte» war zwar nicht die letzte Komposition Mozarts, aber bis heute die am häufigsten aufgeführte Oper. Ihre erste Aufführung am Theater an der Wieden in Wien war ein Erfolg, der bis lange nach dem Tod des Komponisten mit zahlreichen Wiederholungen an diesem Vorstadttheater gekrönt wurde. Und steht sie heute auf einer zeitgenössischen Bühne auf dem Programm, so hat sie an Beliebtheit beim Publikum immer noch eine hohe Anziehungskraft. Auch wenn der Text von Emanuel Schikaneder zahlreiche Ungereimtheiten, dramaturgische Schwächen oder gar Fehler sowie Verstösse gegen jede Logik enthält. Dies musste ja in der Literatur zu unendlichen Spekulationen über Aussage, Inhalt und sowieso zum Thema Freimaurerei führen. Esoteriker wie ebenso Anhänger der abenteuerlichsten Verschwörungs-Theorien liessen sich davon beflügeln (u.a. Peter Shaffers Theaterstück und sein Drehbuch zu «Amadeus» von Milos Forman).

Doch die geniale Musik Mozarts mit den eingängigen und gleichwohl komplexen Arien gibt dem Text diesen Zauber, dem die Zuhörer stets von neuem erliegen und dessen unlogische Merkwürdigkeiten sie nicht einmal bemerken. Die «Zauberflöte» ist eben ein Märchen, wo eben Zauber Zauber ist und das Böse schliesslich durch das Gute besiegt und mit einem Happyend besiegelt wird. Doch gleichwohl empfiehlt es sich im trotz allem nicht zu unterschätzenden Text Schikaneders zumindest dieser Stelle Aufmerksamkeit zu schenken: Der Märchenprinz soll nicht deswegen die höheren Weihen im Göttertempel erlangen, weil er ein Prinz, sondern «weil er ein Mensch ist». Das ist Aufklärung pur und lässt unweigerlich an Mozarts ersten Grosserfolg «Figaros Hochzeit» denken, wo er das scheussliche ius primae noctis thematisiert, aber gleichwohl «le reveil» in der Versöhnung aller Beteiligten zum Triumph führt.

Mozart mag zwar bewusst gewesen sein, dass sich die Gesellschaft, die Gesellschaften, nicht linear fortbewegen, sondern einem Rad gleich sich sysiphusisch drehen: Mal auf der Höhe des Gemeinsinns, mal in den Tiefen der Entzweiung, mal in Gloria, mal in Elend, mal in Eintracht, mal in Zwietracht. Frei nach Brechts Ballade «Das Wasserrad»…

Und damit wären wir gleich beim Bühnenbild (von Mirella Weingarten) der neuen Basler «Zauberflöte» angelangt: Ich sags frei und frank, denn ich habe fachmännisch genau hingeguckt: Das ist erstklassige Zimmermannsarbeit mit verblatteten Riegeln und durchgehenden Ständern, erstklassige Schlosserarbeit, solide Ingeniosität wie sie von den Handwerkern mittelalterlicher Zugbrücken oder den Mechanikern der frühkapitalistischen Transmissionen für die Mills Manchesters oder für das textile Zürcher Oberland gefertigt wurde. Da ist auch nicht am Material aus teurem Chromstahl und auch nicht an Aufwand gespart worden: Abwechselnd werden von Sklaven, üppig auf dem nackten Oberkörper tätowiert, französisch «bûchers» geheissene turmhohe Balkengerüste auf die Riesenbühne des grossen Hauses gekarrt.



Gesangs-Akrobatik auf dem Gerüst: Schnappschuss aus einer Szene der Basler «Zauberflöte». Fotos zVg Sandra Then


Darauf turnen dann die Sänger und selbst die Königin der Nacht ebenso wie Tamino und Pamina herum. Ein Wunder gabs keinen Fehltritt an der Premiere, aber die Sänger scheinen sportlich gedehnt. Nur einer der drei Knaben verbrannte sich unabsichtlich die Finger an einer Lampe, am Tinguely-Aufbau seines Kameraden - buchstäblich einer Glüh-Lampe. Ich habe lange über den Sinn dieses Bühnenbildes nachgedacht und bin lediglich zum Schluss gekommen, dass es sich bei der «Zauberflöte», die ursprünglich für dieses Wiener Vorstadt-Theater an der Wieden konzipiert worden war - einer klassischen Guckkasten-Bühne - wohl eher um ein «Kammerstück» handelt. Und dafür ist die Basler grosse Bühne einfach zu gross geraten. Man muss sie eben füllen. Auch mit Personal.

Behufs dessen wird der Chor aufgestockt, abweichend vom Original - mit Frauen. Und dies in einer unabstreitbar «frauenfeindlichen Oper». Tatsächlich «frauenfeindlich». Nach heutigen Begriffen, wohl aber auch schon zu Mozarts Zeiten, obwohl man weder Mozart noch Schikaneder «Frauenfeindlichkeit» nachsagen kann und will. Die Literatur jedenfalls beschönigt nichts, und anerkannte Musikwissenschafter bemühen deswegen nicht mal fadenscheinige Erklärungsversuche. Auf jeden Fall provozierte dies die (junge) Regisseurin Julia Hölscher die Frauen in Hosen zu stecken und ihnen einen Schnauz anzumalen. Zwar sind auf dem Hintergrund des Textes den Rollen der drei Frauen der Königin der Nacht sowieso eine zwielichtige Rolle zugedacht, doch dass die Maske einer der drei einen aufgemalten Schnauz versah, ist ebenso komisch wie es vielleicht in der seltsamen Logik dieser sowieso seltsamen Inszenierung ein sinnbildliches «Gegengewicht» darstellen sollte.

Und zu den übrigen Köpermalereien: Die armen Sklaven - oder besser, die armen unterdrückten Männer sine nobilitate, die sind buchstäblich gezeichnet. Wie ich mir sagen liess, mit Klebefolie, die derart auf der Haut haftet, dass es sich (für die Maske) nicht lohnt, sie bis zur nächsten Aufführung am 23. Januar abzulösen. Denn «dazu brauchte es Chemie, die der Haut nicht unbedingt guttut», sagte mir einer der Sklaven an der Premierenfeier. Schon jetzt brauchte die Maske für jeden der gut zwei Dutzend Sklaven eine Stunde «Tätowieren».

Aber das ist beinahe kein Aufwand im Vergleich zum Mohren Monostatos, der in dieser Inszenierung eben kein «Näger» (baseldeutsch zu Zeiten vor der «political correctness»), sondern ein Totengerippe ist, das derart «lebensecht» geriet, dass es wohl von jeder Geisterbahn selbst als Requisite abgelehnt würde. Eine Meisterleistung der Maske, wenn man Karl-Heinz Brandt «in Zivil» kennt. Übrigens eine Rolle, die er wahrhaft kreativ interpretiert: Er unterstreicht dank seiner körperlichen Fitness die windige Falschheit Monostatos schlangenhaft akrobatisch, gesanglich brutal erpresserisch und unterwürfig winselnd als Ertappter.

Was fällt mir noch ein? Ach ja, «die Geharnischten», die die meisten Inszenierungen streichen, weil sie eben auch zu den dramaturgischen Schwächen gehören. Vielleicht hat sich die Kostümbildnerin Susanne Scheerer (an der Premierenfeier im Umstandskostüm) den Besuch des Schrottstreifens «Star Wars» erspart, sonst wäre sie todsicher für das Kostüm der Geharnischten auf die Plastikfiguren mit den Nazi-Helmen gestossen. So blieb das Publikum immerhin auch vor diesem Einfall verschont. Anstelle des Harnischs jedoch liess sie den beiden je eine Bein-Prothese anschnallen…

Und leider auch dem jüngsten der drei Knaben, die am Schluss und an der anschliessenden Premieren-Party einen der stärksten Beifälle erhielten. Das Trio in Orgelpfeifen-Grösse, also unterschiedlich gross, waren auf dem Rücken mit Glühlampen (und nicht LED) verziert. Der Grösste hatte zudem einen Propeller auf dem Rücken, wie weiland Joseph Beuys, als er im Rohbau des Foyers des neuen Basler Theaters ein damals so als Happening genannte Performance abhielt. Der Propeller-Einfall ist gar nicht so abwegig, denn die drei Knaben versinnbildlichen nach Meinung vieler Musikwissenschafter Engel, auch wenn Engel gemäss Religionsphilosophie keine Flügel haben, also nicht wie Vögel fliegen, und erst noch geschlechtslos sind. (Darum dürfen sie sogar in der katholischen Kirche blutt abgebildet werden…)



Von Brechts Ballade inspiriertes Bühnenbild? Foto zVg Sandra Then

Was den kostümmässigen Auftritt der Protagonisten angeht, so empfand ich jenen der Königin der Nacht als Erleichterung: Kein violetter Schleier noch meterlange Robe, kein Heruntergleiten oder Erscheinen vor dem Vollmond oder dem Sternenhimmel. Zwar steigt sie eine lange Himmelsleiter-Zugbrücke herunter, aber bar jeden Firlefanzes, Schleier und Krone oder Szepter. Sie kommt gar in einem Hosenanzug und einer schlichten Blouse daher. Dadurch wird das Ohr nicht abgelenkt, sondern auf die Koloratur gezwungen. Mari Moriya ist sicher keine Elisabeth Schwarzkopf, der Vergleich ist zwar unfair, aber irgendwie vermisste ich, was mir salopp als «Charisma» in den Sinn kommt. Dafür hat sie eine gute Stimme, und gute Stimmen sind auf so grossen Spielstätten wirkungsvoll.

Was noch zum Bühnenbild? Habe ich gut aufgepasst? Ah, der Wald. Der liess zu Beginn echt gespannte Aufmerksamkeit zu: Während der Ouvertüre kamen vom Schnürboden langsam Schnüre herunter. Ein Blinder, der den Wald voller lauter Schnüren nicht sehen wollte. Reizende Idee. Zumal, um diese Riesenbühne grossräumig zu bewalden. Und reizend auch diese: Der Papageno hatte kein Glockenspiel, worauf er sich als Sänger auch instrumental abmühen müsste, oder wenigstens so zu tun hatte. Dazu gibt es die Anekdote von einer der Wiederholungen der «Zauberflöte» in Wien, an der Mozart häufig mit grösstem Interesse und begeistert teilnahm: Schikaneder, der damals auch den Papageno spielte, war als Schauspieler kein Musiker und musste das Glockenspiel simulieren, während im Graben einer der Orchestermusiker die Glöcklein anspielte. Mozart, trotz aller seiner Ernsthaftigkeit, so belegen viele Quellen, hatte auch immer eine Neigung zum Scherzbold. An einer Stelle, wo das Glockenspiel zu ertönen hatte, übernahm Mozart das Instrument, spielte aber einige Takte zusätzlich zum uns allen bekannten Ohrwurm. Das brachte Schikaneder arg in Bedrängnis, weil das Publikum sah, dass sein simuliertes Spiel auf dem Instrument nicht mehr synchron mit der Musik war und zu kichern anfing. Schikaneder wusste sich nur so zu helfen, als dass er zu Mozart hörbar raunte: «Halts Maul!», was das Publikum noch mehr belustigte. Es sei aber nicht bekannt, ob Schikaneder nach der Vorstellung Mozart deswegen zornige Vorhaltungen machte oder ob er gute Miene zum Scherz machen konnte. Letzteres scheint mir aufgrund meiner Kenntnisse von hinter den Bühnen eher zuzutreffen. Zumal, wenn ich an die Spässe denke, womit man an den Dernièren die Akteure auf der Bühne neckt…

Das Glockenspiel ist indes in dieser Inszenierung keine Falle für den Papageno-Schauspieler, denn es gibt es nicht. An den Stellen wo es aus dem Orchestergraben ertönt, kommt an einem Seil eine blinkende Laterne vom Bühnenhimmel herunter - ein vom Publikum durch hörbares Schmunzeln merklich goutierter Einfall. Auch die Zauberflöte kommt aus dem Schnürboden heruntergeseilt: eine leuchtende Neonröhre. Diese Abstraktion gegen das «déjà vu» ist wohltuend gelungen. Voraussetzung ist aber, dass man die Oper kennt…

Bühnenbild abgehakt. Kostüme fast auch. Nun zur Inszenierung. Ich frage mich, was die Regie dazu bewogen hat, die Frauenfeindlichkeit des Textes bildlich so zu verzerren, und zwar mit diesen abstrakten Türmen noch ziemlich weit ins Unverständliche? Hingegen ist es eine gute Frage, wie man den Text heute auf Frauenfeindlichkeit abklopfen soll oder kann oder muss. Die Männerschnäuze der Damen sind wenigstens originell, aber dass man den bunten Vogel Papageno in ein Tuntenkleid stecken und zur Conchita Wurst verwursten muss, gehörte doch eher auf die Bühne eines Cabarets (und ist als Idee erst noch von der Zürcher «Zauberflöte»-Inszenierung vom 7. Dezember 2014 abgekupfert…). Vielleicht stecken darum die Männer in Fräcken und Uniformen des 19. Jahrhunderts, zur Hochblüte der Pariser Freizügigkeit und Dekadenz, die Feydeau persiflierte und Daumier karikierte? Auf jeden Fall steht diese Art Kostüme im Widerspruch zur Definition der Freimaurerei in der Zeit Mozarts und der Aufklärung, die zu einem menschlichen Verhalten durch die stete Arbeit an sich selbst gelangen will. Um dadurch Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität leben zu können. (Ironie dieses Begriffs: In der 51. Woche 2015 starb der bekennende Faschist Licio Gelli, 1982 Gründer der italienischen Freimaurerloge «Propaganda Due», während in Deutschland viele dem Nazitum widerstehende Freimaurer verfolgt und deren Logen verboten wurden.)



Die Königin der Nacht und Tamino, nachdem sie von der Himmelsleiter heruntergestiegen ist. Fotos zVg Sandra Then


Daher nochmals ein Bekenntnis frei und frank: Ich halte die «Zauberflöte» für ein so wertvolles Kleinod unter der sowieso grossen Musik Mozarts, weil von ihr ein Zauber ausgeht, den man eigentlich nicht mit derart krasser bildlicher Metaphorik entzaubern sollte. Immerhin resistiert die Musik solcher Verballhornung, was natürlich um so mehr deren Qualität beweist. Wie man einen schlechten Text auch mit den besten Schauspielern nicht besser machen kann, so kann man eben einen guten Text auch mit schlechten Schauspielern nicht schlecht machen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich hier - wie man in der Sprachwissenschaft sagt -, um eine konzeptionelle «Kontamination» handelt. Also um die Vermischung zweier Begriffe, zweier Problemkreise, auch wenn ich den Witz oder Absicht bemerkt habe.

Für mich ist damit die Mozartsche «Zauberflöte» unstatthaft entzaubert, gewissermassen das Kind im falschen Badwasser verbrüht worden.

Wer sich wie auch immer mit der Zauberflöte auseinandersetzt, kommt um die geniale Verfilmung von Ingmar Bergman nicht herum. Das ist mit Bezug zu einer Theater-Vorstellung wohl ungerecht, denn der Film hat andere mediale Möglichkeiten, womit das Werk ganz anders dargestellt werden kann. Aber Bergmans Verfilmung spielt in einem Theater, eben dem klassischen Guckkasten-Theater und ist erst noch Theater im Theater. Aber es ist der Charme, den diese Verfilmung ausmacht. Ihre Kongenialität ist unerreicht und gewinnt sie durch die spärlichen Theaterkulissen, durch etwas altmodisch wirkende Originaltreue, die aber immer wieder inszenatorisch leicht überhöht ist, so dass sie als witzige Ironie verstanden werden muss.

Schikaneders Text ist so flexibel nutzbar, dass jede der vielen Zauberflöten, die ich in Theatern oder am Bildschirm gesehen habe, stets neue Aspekte und manchmal auch neue Erkenntnisse bergen. Aber so?

Und was ist mit der musikalisch und gesanglichen Interpretation? Wie gesagt hält das Bild mit der Musik nicht Schritt (im übertragenen Sinne gemeint). Der Auftakt (Ouvertüre) mit den herabsinkenden Schnüren, ist der grossartigste Moment. Wo man nicht durch Absurditäten gestört wird, aber man sich dem Gefühl hingeben kann: Was für ein Geschenk! Dirigent Christoph Altstaedt dirigiert das Basler Sinfonie-Orchester sehr dynamisch, was vielleicht abgedroschen tönt. Aber er hat die Tempi im Griff und zumal die Fäden, wenn er den Knaben an der Rampe die Einsätze ohne gymnastischen Firlefanz gibt.

Nebst dem agilen Karl-Heinz Brandt haben aber Sarastro (Callum Thorpe) und der erste Priester/Sprecher (Andrew Murphy) glücklicherweise nur wenig auf den Gerüsten herumzuturnen. Dadurch stehen sie mehr zum Publikum und können ihre Stimmen voll entfalten. Der junge Thorpe hat zwar einen ausgereiften Bass aber den Häuptling der Weisen kann man ihm wegen seines Alters nicht unbedingt abnehmen. Sein Deutsch ist jedoch ganz passabel. Die Pamina hat zwar eine schöne Stimme, aber sie ist nicht laut genug, zumal bei den Sprechstellen und von den babylonischen Türmen herab sowieso.

Beim Papageno fehlt mir alles, was ich an dieser Rolle liebe. Kunststück: Im Kostüm der Conchita Wurst mit angeklebtem Bart (weil Thomas Tatzl den sowieso in Zivil nicht hat) kann dieser schelmische Naivling mit seiner arglosen Weltsicht den von Text und Musik geschaffenen Antipoden zum edlen Tamino «mit dem reinen Herzen» nicht sein. Die Chance einer solche Burleske wurde auch mit der unverständlichen Darstellung einer haarigen Pamina vertan. Vielleicht absichtlich? Apropos Haare: Die drei Damen sind mit dicken Zöpfen aneinander gebunden, aber leider hat die Regie auch da die Chance des Slapsticks verpasst - wenn schon…

Wie immer gibt es an der Chorarbeit von Henrik Polus nichts zu meckern. Das Meckern jedoch gilt der Inszenierung, die die Chormitglieder zu Stellungen zwingt, deren Sinn nicht einsehbar ist und vielleicht allein den Zweck haben, der Möblierung der grossen Bühne zu dienen: Mal müssen Choristen sich in Gruppen an der Rampe niedersetzen. Das wirkt meist peinlich, weil viele von den Sängern und -innen einen Bodymass-Index haben, der ihnen das Aufstehen noch schwerer macht, als sich auf den Boden zu setzen. Dann taucht eine kindisch dargestellte Gruppe von Nonnen auf und firlefanzt mal da, mal dort auf der Szene umher. Man weiss nicht warum, und im Urtext gibt es die nicht…

Na, zum Schluss also dies: Wer die Musik der Zauberflöte liebt, mag hingehen. Aber vorzugsweise mit verbundenen Augen dasitzen. Dann kann man sich ganz auf die grossartige Musik und auf die Stimmen konzentrieren und muss sich von keiner Wurst noch Würstin ablenken lassen…



Singen vom und am Gerüstbau: Der geckig im 19.-Jahrhundert-Frack kostümierte jugendliche Sarastro (oben) und Monostatos mit dem aufgeklebten Skelett-Tattoo (unten) mit einer Gruppe des Chores (auch in Fräcken des späten 19. Jahrhunderts). Foto zVg Sandra Then

Von Jürg-Peter Lienhard


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