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Artikel vom 04.05.2007

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Im Fokus de Autoren

Herr Merz und die Souveränität

Wie ausländische Unternehmen mit Steuerdumping umworben werden

Von Mitch Reusdal



Nicht ganz comme-il-faut: Hans-Rudolf Merz im ungewöhnlichen Bundesrats-Kostüm.


In der Auseinandersetzung der EU über die Besteuerung ausländischer Holding-Gesellschaften zeigt sich die Schweiz von ihrer hässlichen Seite. Beliebt macht sie sich mit ihrer Profitiermentalität kaum, und ihrem Ansehen schadet es bestimmt nicht.

Die EU setzt der Schweiz zu. Aus verständlichen Gründen, wenn man die Argumente teilt. Wenn das nicht der Fall ist, dann stellt dieser Akt, nach den Aussagen aufrechter Eidgenossenschaftsverteidiger, einen schweren Angriff auf die Souveränität des Landes dar. Die Schweiz ist ein unabhängiges Land, sie braucht sich nicht in ihre Steuergesetzgebung hineinreden lassen. Sie ist..., sie hat... und so weiter.

Darum geht es: Die EU ärgert sich über die Steuerprivilegien, die die Schweiz europäischen Holdinggesellschaften gewährt. Das hat, wie sie selber mit siegesgewisser Zuversicht behauptet, mit ihrer Standortattraktivität zu tun.

Auch viel zu wenig ist gut

Jetzt wissen wir endlich, was das heisst: ein souveräner Staat. Das ist einer, der Steuerdumping betreibt. Dass die EU damit unzufrieden ist, versteht sich. Ihr entgehen auf diese Weise Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Die europäischen Unternehmen sehen das bestimmt ganz anders. Warum mehr bezahlen, wenn es auch anders geht? Also ab in die Schweiz, diesen Hort der Steuerflüchtlinge. (Nicht nur Holding-Gesellschaften profitieren, auch Millionäre und Milliardäre werden schonungsvoll behandelt. Oder sollte man sagen: generös?)

Ich wüsste aber beim besten Willen nicht, wie ich das Verhalten der Schweiz in dieser Frage in irgendeiner Form «generös» oder «souverän» nennen könnte. Souveränität heisst nicht nur Unabhängigkeit, Selbständigkeit, Verteidigung der Staatshoheit, sondern wird als Ausdruck auch gebraucht, um zu sagen, dass jemand über einer Sache steht.

Die Schweiz sieht das anders. Oder genauer gesagt: ein Teil der Schweiz. Warum den anderen europäischen Staaten nicht ein paar gute Steuerzahler abspenstig machen? Wenn sie doch dabei etwas verdient (kassiert), auch wenn sie es gar nicht verdient hat (keinen Anspruch erheben kann). Sie nimmt dabei zwar nicht so viel ein, wie es möglich wäre, denn sie verlangt von den ausländischen Holdings viel weniger, als sie könnte oder müsste oder sollte, aber immer noch viel mehr, als ihr überhaupt zusteht.

Warum also nicht? Konkurrenz ist gut, heisst es. Aber das ist auch schon alles.


Die Gnomen sind wieder da

Vor allem manifestiert sich in dieser Einstellung die Haltung der Gnomen von der Bahnhofstrasse, also jener Haltung, die der britische Journalist Malcolm Muggeridge vor vielen Jahren der Schweiz gemeint hat: Sie scheffeln Geld und Gold und profitieren auf Kosten der anderen.

Das erinnert an den Satz «Point d‘argent, point de Suisses», der in einem Theaterstück von Jean Racine vorkommt. Das Stück ist längst vergessen, der Satz jedoch nach wie vor aktuell. Er bezieht sich auf die Reisläuferei der Schweizer und besagt, dass die Schweizer nur tun, was ihnen etwas einbringt. Dass sie, anatomisch gesprochen, den Hintern nur heben, wenn sie dafür die hohle Hand machen können. Oder knapper ausgedrückt: Nur das Geld zählt.

Jetzt hat der famose Bundesrat Hans-Rudolf Merz etwas Fabelhaftes, ausgesonnen. Einer AP-Meldung zufolge liess er verlauten, dass er bereit sei, der EU entgegenzukommen und die Holding-Privilegien abzuschaffen. Aber das würde für die EU auf ein Eigentor hinauslaufen, weil er im Gegenzug dann sie Unternehmens-Gewinnsteuer senken würde.

Jetzt wird es peinlich. Herr Merz, Bundesrat für PR-Fragen in Sachen Steuerumgehung, macht den Trotzkopf. Wie wenn er sagen wollte: Wenn ich den Ball, der mir nicht gehört, zurückgeben muss, dann will ich dafür einen anderen haben. Denn dass ich das Recht habe, mir etwas zu nehmen, wo es etwas zu nehmen gibt, egal, ob es mir gehört oder nicht, das ist doch wohl klar.

Wenn es um das Geld geht, ist alles in Ordnung

Der Applaus seiner Anhänger wird nicht ausbleiben. Herr Merz hat wieder einmal erfolgreich die Souveränität der Schweiz verteidigt.

Das ist das eine. Wenn man daran denkt, wie die Zürcher Kantonalbank den russischen Milliardär Vladimir Vekselberg gut beraten hat, als sie ihm zu seiner Beteiligung an der Firma Sulzer verhalf, dann versteht man etwas besser die liederliche Haltung, die sich in diesem Land breit macht.

Für Geld ist alles zu kriegen. Sonst gilt: Point d‘argent, point de Suisses.

Von Mitch Reusdal


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