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Artikel vom 24.03.2004

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Menschenwürde

Ein Theater-Direktor auf Abwegen

Haus-Sklave

Die seltsamen Anstellungs-Praktiken von Michael Schindhelm: Die Sprache verrät den Geist - oder: Die braune Liesel kenn' ich am Geläut

Von Jürg-Peter Lienhard



Noch zeigt man erst mit den Fingern auf ihn: «Herr» der Haus-Sklaven Schindhelm.

Wenn dies schon zynisch ist, dann ist es auch diskriminierend - und daher strafbar: Der Basler Theater-Direktor aus der ehemaligen DDR, Michael Schindhelm, hat einen jungen Schauspieler-Lehrling als «Haus-Sklave» angestellt und diesen schandhaften «Titel» auch im Arbeitsvertrag schriftlich festgehalten.

Der «Herr» Schindhelm hat sich perfekt an die kapitalistische Umwelt angepasst, seit er aus der «real existierenden Deutschen Demokratischen Republik» ausgewandert ist. Jetzt hat er noch einen Zahn zugelegt: Aus der Mottenkiste des Frühkapitalismus hat er den zweifelhaften Begriff «Haus-Sklave» hervorgeholt und ihn einem der schwächsten Mitglieder seines Hauses, einem Kandidaten für die Schauspielschule, angehängt.

Hans Meier (Name gändert) ist vom Theater begeistert und ist bereit, sich die Schmach des «Haus-Sklaven» von Theater-«Herr» Schindhelm gefallen zu lassen - allein um dereinst einmal ein paar Schritte auf den «Brettern, die die Welt bedeuten» tun zu können. Es gilt, sich um «Gottes Lohn» Erniedrigungen, Verstösse gegen die Menschlichkeit und eine Menge Drecksarbeit gefallen zu lassen.

Menschenwürde gilt auch im Theater!

«Das Theater ist keine demokratische Institution - zum Glück», sagt Rafael Sanchez, 29-jähriger Jung- und Haus-Regisseur des Theaters Basel (und verwechselt damit Theater-Machen mit Firmenkultur). Er leitet die Kinderstube der mächtig eingebildeten Jung-Schauspieler am Klosterberg 6. Angeblich seine «Wohnung» ist der ehemalige «Event-Raum» des Theaters so etwas wie eine «Open-End-Para-Kantine» der Schauspiel-Sparte geworden - wo ab und an auch mal eine Kleintheater-Vorstellung durchgeführt wird.

Hier wurde mit viel Steuergeld eine sogenannte «Loft» eingerichtet: Ein «Wohn-Atelier» mit Riesen-Flachbildschirm-TV, mächtiger Stereoanlage, einer nigelnagelneuen Chromstahlküche mit Geschirrspülmaschine, Designer-Bankett-Tisch, Profi-Bar und edlen Sanitär-Kabinen - nicht zu reden von Designer-Sofa und -Doppelbett sowie ausgeklügelter Beleuchtung. Kostenpunkt: «bleibt Geheimnis» heisst es von Seiten der Theater-Haustechnik. Kein Geheimnis ist jedoch, dass allein die sichtbaren Armaturen und Wasserleitungen schon ein Heidengeld gekostet haben müssen.

Manieren wie das Outfit

Diese Grossraum-Luxus-Loft ist natürlich hervorragend geeignet für sogenannte «Stubeten» - also zum Nippen, Naschen, Rumhocken, Glotze-Gucken usw. Und wenn dann die noblen Jung-Schauspieler eingefallen sind, fallen naturgemäss auch Abfälle jeder Art und dreckiges Geschirr an: Zigarettenkippen aus überlaufenden Aschenbechern, Fressalien-Reste und deren Verpackung, leere Wein- und Bierflaschen sowie geleerte Gläser, Tassen und Teller. Nicht selten muss was Schlüpfriges vom Boden aufgewischt werden. Selbstverständlich rühren da die vielversprechenden Stars von morgen oder übermorgen keinen sauberen Finger, um mal einen Aschenbecher auszukippen, geschweige denn einen feuchten Lappen über den Designer-Tisch zu schmieren: Die gerne im Clochard-Räuberzivil aufmarschierenden Jungsters haben eben auch Manieren wie ihr Outfit…

Das alles wieder in Ordnung zu bringen, ist die Aufgabe des «Haus-Sklaven». Und der heisst momentan Hans Meier (Name geändert). Er ist beileibe kein Theater-Neuling, sondern er ist bereits in einer Produktion eingebunden, deren Mitglieder durch Originalität und Präsenz glänzen. Auch wenn sie nicht staatlich subventioniert sind, ja zuweilen, um ihre künstlerische Existenz und Unabhängigkeit zu gewährleisten, gar Abstriche bei Gagen oder Löhnen zulassen (müssen): beim Vorstadt-Theater.

Saftige Zusatzeinnahmen für den «Herrn»

Da hat es der «Herr» Schindhelm aus der ehemaligen «real existierenden» DDR viel komfortabler - sein Lohn ist vergleichsweise dem eines Regierungsrates. Wichtig ist: Lohn - und nicht Gage. Denn Lohn berechtigt zu allerlei Zusatzbezügen. Zum Beispiel eine komfortable Abgangsentschädigung oder freie Einnahmen aus Nebenämtern wie beispielsweise als Fernseh-Talkmaster, wo er dafür bezahlt wird, dass er wohl die langweiligste Klugscheissersendung in der ganzen deutschsprachigen Welt moderiert. Ganz zu schweigen von den famosen Spesen-«Diäten» aus Steuergeldern, die ihm erlauben in der ganzen Welt per Erster Klasse herumzuholidieren.

Im Theater gibt es noch andere «Sklaven»-Posten: Das sind zuerst mal die Statisten. Ihre freiwillige Aufopferung und Hingabe in ihrer kostbaren Freizeit wird lediglich mit einem Trinkgeld entlöhnt, das nicht einmal die Cola oder den Café während den langen Einsatzpausen zu decken vermag. Sind es viele Statisten, müssen sie zur Auszahlung in langen Schlangen anstehen - je nachdem, ob der Statist ein hübscher Bursche ist, dauert die Entgegennahme des Pekuniums hinter verschlossener Türe eben länger.

Sklavenhaus Theater

Auch im künstlerischen Bereich gibt es sklavenähnliche Hierarchien: zum Balllett-Beruf sollte man keinem Mädchen oder Burschen raten. Sogar in den professionellen Chören gibt es zahlreiche (!) Mitglieder, die ungeduldig auf ihre Pensionierung warten und sich schon lange geschworen haben, «dann nie mehr einen Schritt in ein Theater zu tun»! Und gibt es sonst mal Knatsch oder spielt ein «Unter-Herr» den «Ober-Herrn», macht der «Herr» des Hauses das tote Männchen: Beschwerden werden gar nicht angenommen - schriftliche schon gar nicht!

«Theater ist wie Militär», sagte so ein Depp in seiner «Herren»-Ideologie mal zu einer verschüchterten Statisten-Schar. Nein, sage ich - Theater ist Aufklärung, Aufklärung über die Mechanismen der Gesellschaft, über das Leben. Wer «Sklaven» hält - und seis vor allem am Theater -, ist als Theater-«Herr» unglaubwürdig. Ein unglaubwürdiger Theater-Intendant, der Sklaven-Hierarchien festigt und ausbaut, verwechselt die unabdingbare Konzentrationspflicht des Künstlers und das Disziplingebot der Mitwirkenden mit Zucht, bei der der Anspruch eines jeden Menschen in einer jeden Institution, als Mensch anständig behandelt und ernst genommen zu werden, auf der Stecke bleibt. Zum Dirigieren eines Theaters braucht es keine Sklaven-Struktur - einer gelebten Glaubwürdigkeit folgen motivierte Mitarbeiter auch ohne Sklaven-Peitsche! Das könnte der solitäre «Herr» im städtisch subventionierten Musentempel von der tapferen Mannschaft des Vorstadt-Theaters noch immer lernen!

Der erste Stein ist geworfen…

Wenn Sie, vehrehrte Leser und Leserinnen, bis hierher gelesen haben, dann sind Sie entweder der «Herr» Schindhelm oder ein Gewöhnlichsterblicher, der sich über die Beschäftigung von Sklaven ebenso wie ich empört. Vielleicht stören Sie sich an der Länge dieser «Glosse»? Dann muss ich Sie aufklären: Die Länge hat mit der Energie zu tun, mit der ich gerne dem DDR-«Herrn» zur Erhöhung seines Sozialbewusstseins einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten verabreichen würde - wäre dies nicht unter meiner aufgeklärten Würde!

PS: Die Sprache verrät den Geist: Wer Haus-Sklave sagt, meint nicht Haus-Perle und schon gar nicht Haus-Geist geschweige denn Mitarbeiter…

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

Was man heutzutage unter Haus-Sklave versteht

Resolutionsentwurf zum XI. Weltkongreß der 4. Internationale

Auch Cicero war Haus-Sklave - aber ein hochgeachteter!

Haus-Sklaven können auch anders: nämlich revoltieren!


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