Anzeige:
Abschaltung

Artikel vom 16.11.2005

Druckversion

Mit Stumm unterwegs

Schwarzweisskultur

Ein Tip für Theater-Touristen - garantiert zufriedenstellend: «Cyrano» im Städtebundtheater in der letzten Spielzeit von Hans J. Ammann

Von Reinhardt Stumm



Cyranos Riecher ist nicht bei Carlo Lorenzini entliehen, sondern leiglich als eine phantasievolle Andeutung ins Gesicht von Julian Grünthal gepflanzt: Cyrano mit Mirjam Zbinden (Roxanne), Christian Intorp (Le Bret/Guiche). Foto: Patrick Pfeiffer, Konstanz © 2005



Der «Cyrano» nach Edmond Rostands romantischer Komödie in einer Fassung von Sybille Fabian für das Theater Biel-Solothurn bot die Gelegenheit, sich mal wieder um dieses Hintertreppentheater zu kümmern – so wird es jedenfalls von der Kritik behandelt.

Man denkt naja, Provinz, und man ist ganz lieb gesinnt, die krüppeln ja nun wirklich, alles Kulturgequatsche verhilft ihnen nicht zu mehr Geld, keine Bewegungsfreiheit – und dann fängt Rostands heroische Komödie «Cyrano de Bergerac» an. Hallo, wo sind wir?

Vorher hatte ich schon (der Vorhang ist immer weit offen) das wundervolle Bühnenbild von Herbert Neubecker bestaunt, weisses Balkenwerk, wie mehr und weniger schiefe Bilderrahmen perspektivisch nach hinten gestaffelt, schneeweisse Stoffhüllen füllen Decke und Wände, es sieht wunderschön aus, hygienisch sauber, kühl, klar, lesbar.

Hart strafende Steuerzahler

Und jetzt kommt der schwarze Mann, ein bisschen wie ein japanischer Ringkämpfer, tief in den Knien federnd überquert er die Bühne, sein Text ist schwer verständlich, aber ich merke, abermals zu meinem Erstaunen, dass mir das überhaupt nichts ausmacht, ich höre gar nicht zu, ich schaue zu – gebannt. Theater ist eben doch was mit Bildern – sonst könnte man gleich zuhause bleiben, Geld sparen und die Texte lesen.

Städtebundtheater. Biel und Solothurn. Das eine wie das andere, brav, dienstfertig, unterwürfig. Man kann sich nicht leisten, die Steuerzahler zu vergrätzen, man ist abhängig – von Sehtrainung und Geschmack, von Vorlieben und Abneigungen eines kleinstädtischen Publikums, das gewöhnt ist, hart zu strafen, wenn es ihm nicht passt – es kommt einfach nicht mehr. Und das können sie sich nicht leisten.

Alles, was Theater möglich macht

Aber was willst du? Hans J. Ammann, der Chef, der Direktor, der Intendant, schwört auf die verkehrte Sybille Fabian (sonst kommt doch immer erst das i und dann das y!). Sie hat ihre ersten Sporen bei ihm in Freiburg i.Br. abverdient (wo der gebürtige Solothurner Ammann von 1993 bis 2002 Intendant war), und als er 2002 die Leitung des Städtebundtheaters übernahm, war Sybille dabei. Mit allem, was modernes Theater (wie man will) fordert oder möglich macht. Irgendwann höre ich Shakespeare, eine lange Passage ist eindeutig Heiner Müller, die Zahl der handelnden Personen in Rostands Stück ist auf vier geschrumpft – und es fehlt nichts.

Sybille Fabian versteht es, den Kern der Geschichte sichtbar zu machen. Dieser unglückliche Mann mit der sprichwörtlich gewordenen Riesennase liebt ein Mädchen hoffnungslos und wirbt für einen Freund um sie. Hat sie vielleicht ganz tief innen eine Neigung zu ihm?

Hingehen und staunen!

Nicht nur Cyrano, auch die anderen Figuren sind wundervoll weich und fliessend schwarz gekleidet, alles ist elegant und kraftvoll so auf diesen Schwarzweiss-Kontrast gestellt, dass (ich wiederhole mich – gern!) das Auge sich in diesen knapp anderthalb Stunden nicht satt sieht. Mir gefällt das so gut!

Es wäre eine ebenso willkommene wie notwendige Gelegenheit, sich mal wieder um das Städtebundtheater zu kümmern. Es ist Ammans letzte Spielzeit.

Von 1969 bis 1971 war er Regieassistent bei Düggelin in Basel. Heute besucht ihn gelegentlich der Mann vom Berner Bund (Charles Linsmayer) und schreibt über die Arbeiten des Theaters. Er zahlt, hörte ich richtig, die Reisekosten selber. Kritiker! Da kullern einem Tränen aus den Augen.

Was Provinz ist? Provinz ist, wenn die Redaktion – mein Gott, ja - findet, dass man nicht unbedingt hinmuss.




Christian Intorp (Le Bret /Guiche), Gergely Kispál (Christian), Julian Grünthal (Cyrano)




Julian Grünthal (Cyrano), Gergely Kispál (Christian)

Von Reinhardt Stumm

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Theater Biel-Solothurn - Anfahrt, Karten, Spielplan etc.

• Direkt zu den Aufführungsdaten «Cyrano»


Klicken Sie hier, wenn Sie fortan bei neuen Artikeln dieses Autors benachrichtigt werden wollen!


Anzeige:

Deutsch



Nach oben


Copyright © 2003 by webjournal.ch

 

Die Funktion Newsletter ist wegen Spam blockiert. Schreiben Sie eine Mail an info(ad)webjournal.ch mit dem Betreff: «Bitte newsletter zusenden» Besten Dank für Ihr Verständnis.