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Artikel vom 18.10.2005

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Mit Stumm unterwegs

Wie schön ist doch Bosheit!

Ein Muss für angehende und bestandene Theaterfreunde: Der Klassiker Molière im Dornacher «Das Neue Theater am Bahnhof» so gespielt, wie es seinem genialen Autor entspricht

Von Reinhardt Stumm



Theatervergnügen ohne Wenn und Aber: Molière von der Hand eines italienischen Meisterregisseurs im Stil der klassischen Comedia dell'arte. Die beiden Väter Argante (Andreas Berger) und Geronte (Yves Raeber). Fotos: Das Neue Theater Dornach. Titel und Legenden: jpl.



Das Stadttheater Chur und «Das Neue Theater am Bahnhof» in Dornach haben zusammengespannt und gemeinsam Molières «Les Fourberies de Scapin» produziert. Die witzige, schnelle, leichte und leichtfertige Inszenierung der Farce kommt aus italienischer Hand. Ferrucio Cainero inszenierte. Die Zuschauer waren mit guten Gründen begeistert.

Wo gehört das Stück hin? «Schon mit den Lächerlichen Preziösen hatte Molière die Geistreicheleien eingebildeter Schöngeister verspottet», lese ich in «Knaurs Schauspielführer» – und frage mich, wo hier eingebildete Schöngeister auftreten und verspottet werden. «Les Fourberies» mit Streiche zu übersetzen, ist auch sehr freundlich.

Schurke und Geizkragen: Molières Lieblings-Figuren

Fourberies sind eigentlich Schurkenstreiche, ist Verrat und Betrug – und das ist auch das Stück. Scapin, der phantasievolle, spielerische, eitle und skrupellose Schurke barbiert den einen Geizkragen über den Löffel und zieht dem anderen das Fell über die Ohren – nicht das ganze, der hat genug, aber immerhin, saubere Arbeit!

«Knaurs grosser Schauspielführer» (das ist nicht derselbe wie der zitierte!) sagt von von Molière, dass er an die volkstümliche Farce und die klassische antike Komödie anknüpft und dass «seine Leistung in der Verknüpfung bekannter Elemente zu besonders bühnenwirksamen Stücken zu suchen ist.»

Ehemals Glanzrolle von J.-L. Barrault

Das ist brav formuliert, beisst aber niemanden. Schauen wir noch beim unvergleichlichen Georg Hensel nach («Der Spielplan»): An Scapins besessenem Spieltrieb «enthüllen sich die Schwächen seiner Umwelt. Ein Rückgriff Molieres auf seine Anfänge, auf die Stegreifkomödie im italienischen Stil. Eine Glanzrolle von Jean-Louis Barrault. Deutsche Bühnen scheuen mit Recht davor zurück: völlig unliterarisches, reines Theater, mimisch, pantomimisch, tänzerisch.»

Also ganz richtig, dass sie sich einen Italiener holten, um den vergnüglichen Schmarren auf die Beine zu stellen. Ferrucio Cainero hat die leichte Hand, das richtige Mass an Heiterkeit und die Unbekümmertheit, was alles nötig ist, um Tempo in die Erzählung zu bekommen.

Millimeterarbeit des Regisseurs

Dazu hat der mit vielerlei Auszeichnungen geehrte Regisseur ein paar Schauspieler, die verblüffend gut sind – stimmstark, gelenkig und wendig, witzig und einfallsreich genug für die schnelle Improvisation, was um so nötiger ist, als diese Art von Stücken inszenatorische Millimeterarbeit beinahe unmöglich macht. Ein Umstand, von dem die Commedia dell’arte lebte! Umstand, von dem die Commedia dell’arte lebte! (Das schöne Programmheft empfiehlt sich als kluge und lehrreiche Unterrichtung zum Thema!)

Krishan Krone als Scapino (er wurde ja richtiggehend italianisiert!) ein Tausendsassa, witzig, geschmeidig, mit weitreichender Gefühlsskala, er winselt so gut wie er markig auf die Pauke haut! Ihm gegenüber der alte Geronte (Yves Raeber), eine Type wie aus dem Briefmarkenalbum, bürgerlicher Ganove und Gauner, und ihm gegenüber der andere, Argante (Andreas Berger), eine wonnige Kugel mit der klassischen Knollennase, die zur Maske gehört.

Ach, alle waren schön - vergnüglich der wie auf Stelzen stolzierende Ottavio mit dem Mozartzopf, vergnüglich die brummige, knollige Magd Silvestra, am vergnüglichsten, ganz wundervoll und warum nicht den ganzen Abend nur sie, die Musiker – zauberhaft leicht und hell, von fliessender Eleganz der Körpersprache (von der Singstimme nicht zu reden) Fiorentina Tamela. Die würde ich gern wiederhören!

Noch ein paar Mal zu sehen – es lohnt sich nicht nur des Vergnügens halber, es ist lehrreich – ein Stück lebendiger Theatergeschichte!



Nützliche Angaben und Reservation

• Theater am Bahnhof in Dornach

• Anfahrt: Endstation Tramlinie 10 oder Bahnhof Dornach SBB

Weitere Vorstellungen am Freitag, 21. und Samstag, 22. Oktober 2005, je um 20 Uhr sowie am Sonntag, 23. Oktober 2005 um 17 Uhr

• Eintritt Fr. 38.- / ermässigt Fr. 26.-

• Beschreibung und Mitwirkende:

«Les Fourberies de Scapin», Farce in drei Akten von Molière
Deutsche Fassung von Heinz Otto
In Zusammenarbeit mit dem NTaB

Es spielen Krishan Krone (Scapin), Yves Raeber (Géronte), Andreas Berger (Argante), Viola Barreca (Silvestra), Nikolaus Schmid (Octave), Simona Werder (Hyacinte), David Voges (Léandre) und Désirée Pfenninger (Zerbinette)
Musik: Fiorentina Talamo (Gesang), Rico Punzi (Gitarre) und Robert Grossmann (Mandoline)
Regie: Ferruccio Cainero / Bühne: René Ander-Huber / Kostüme: Marion Steiner / Maskenbau und Maske: Annina Schmid / Technik und Licht: Hannes Fopp / Regieassistenz: Myriam Kohler / Produktionsassistenz: Virginia Dias

Scapins Streiche erzählt von den Schwierigkeiten, die der grossen und wahren Liebe im Wege stehen... und wie sie überwunden werden. Ein grosser Klassiker mit den Mitteln der Comedia dell'Arte wunderbar auf die Bühne gebracht .

• Preise

Eintritt Fr. 38.- / ermässigt 26.-

• Telefon-/Fax-Reservation (Online-Reservation siehe untenstehnder Link):

Tel./Fax +41 61 702 00 83

• Mail-Kontakt:

info@neuestheater.ch




Scapino (Krishan Krone) und Silvestra (Viola Barreca)




Geronte




Ottavio (Niklaus Schmid). Alle Fotos: Neues Theater Dornach



Von Reinhardt Stumm

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Link zum Neuen Theater Dornach

• Online-Reservation

• Alles über Molière alias Jean-Baptiste Poquelin


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