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Artikel vom 16.06.2005

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Mit Stumm unterwegs

Schillers Tell am Goetheanum

Johannes Peyer, Schauspieler in der Basler Düggelin-Aera, jetzt Anthroposoph, inszenierte das Freilichtspiel, das man sich durchaus zumuten darf

Von Reinhardt Stumm



Walterlis Nase wurde während den kalten Probetagen genau so rot, wie der Apfel auf seinem Kopf. Alle Fotos: Goetheanum, Dornach © 2005. Titel, Umbruch, Fotoredaktion und Legenden: jpl



DORNACH.- Es ist Juni. Sein 200ster Todestag am 9. Mai des Jahres 2005, der die Welt der Literatur und des Theaters veranlasste, fast nur noch über Hofrat Professor Dr. Johann Christoph Friedrich Schiller vorzudenken, ist lange vorbei, sein 250ster Geburtstag am 10. November 2009 noch einige Zeit hin, auf jeden Fall für das nächste Geschäft mit dem zweitgrössten deutschen Dichter noch weit.

Die Goetheanumbühne hat eigentlich als einzige ein Schillerjahr gefeiert, das bis auf den Tag glaubwürdig geblieben ist. Ganz einfach deshalb, weil Schiller in Dornach kein saisonbedingter Modeartikel ist, sondern ein Dichter, für den man sich aus achtbaren Gründen immer interessiert – und sich dann freuen darf, wenn die Gelegenheit zu einer umfassenderen Beschäftigung herausfordert.

«Maria Stuart» bleibt ein unvergessenes Vergnügen, der «Demetrius»-Abend ein gelungener Konstruktions-Versuch an einem Fragment, dessen Intelligenz und Ernsthaftigkeit nicht nur Vergnügen machten, sondern auch Respekt heischten. Und jetzt haben wir - als Tüpfelchen auf dem i – die Freilichtaufführung des «Wilhelm Tell» rund um die Hälfte des Goetheanums herum, auf den Plätzen, in den Wiesen, unter der Thingstättenlinde.



Eine Einzige Gesslerei: Gessler (hinten, ohne Hut, denn der hängt ja auf der Stange) mit seinen düsteren Spiessgesellen vor Zwinguri, alias Goetheanum.



Ich weiss nicht, wie dieser auf Steinstufen liegende kreisrunde Platz heisst, aber als heimlicher Versammlungsort, als Rütli ist er wundervoll geeignet, man möchte dem Einzigen Volk von Brüdern am liebsten zurufen, noch ein wenig länger zu bleiben.

Ich sah am Mittwoch abend, 15. Juni 2005, eine Schüleraufführung, zwei Tage vor der Premiere. Vor der Premiere übrigens (um 18.00 h), ein Vortrag von Barbara Piatti: «Eine Bühne aus Fels und Wasser, Wald und Himmel. Friedrich Schiller und die Landschaft.»



So liebt man Tell und seinen Walterli, der das in den Händen hält, was zum Markenzeichen schweizerischer Qualität wurde.



Barbara Piatti hat aus Anlass der diesjährigen Tell-Aufführungen auf dem Rütli ein wundervolles Buch geschrieben, das hier nicht unterschlagen werden soll: «Tells Theater – Eine Kulturgeschichte in fünf Akten zu Friedrich Schillers Wilhelm Tell», erschienen bei Schwabe, Basel, kostet 36 Franken.

In Dornach hat Johannes Peyer inszeniert; es gibt über sechzig Mitwirkende, von den Kindern, die mit Klappern und Rasseln eine Art Ordnungsdienst versehen (die Schauplätze wechseln, also sind einige Spaziergänge zu leisten) bis zu den Hauptrollen. Die Musiker nicht zu vergessen! Es ist eine heitere, selbstgewisse Inszenierung.



Foto-Idyll der Familie Tell mit dem grimassierenden Walterli.



Wir wissen alle, dass die Geschichte gut aufhört, auch wenn die Sorgen anfangs ein wenig drücken. Wundervoll schienen mir die immer neuen bunten Bilder, wenn die Zuschauer die Plätze wechselten, wenn sie hier auf den Plätzen, dort auf den Wiesen ihre Stühle aufklappten (jeder bekommt vorher seinen Stuhl zum mitnehmen), eben gerade nicht in Reih und Glied, sondern so, wie es gerade kommt.

Gut zwei Stunden dauerte diese Vorstellung, eine Art Generalprobe, nach der wohl noch dieses und jenes zurechtzurücken sein wird. Anschliessend machte sich die muntere Schar an inzwischen aufgestellten Tischen vergnügt über Apfelsaft und Sandwiches her, die alten Damen und Herren durften auch Bier trinken.



Der mit der Stange - aber nicht Feldschlössli wie bei Castorf unter Baumbauer - hat seinen Hut darauf gesetzt und lässt sich auch nicht von kniend bittende Untertanen erweichen.


Klar, ein Tell auf Terrasse oder Balkon, Vorplatz und Wiese hat seine Probleme, manchmal hört man nicht so gut, manchmal sieht man nicht so gut. Aber reizvoll ist das Ambiente, die Apfelschuss-Szene hat Schwung und ist lustig – man darf sich diesen «Tell» durchaus zumuten.

Premiere am 17. Juni um 19.00h

Weitere Vorstellungen (bis 7. August): siehe untenstehender Link



Regisseur Johannes Peyer: Das Bild stammt aus dessen dunkler Vergangenheit, deshalb schwarzweiss und gertenschlank…

Von Reinhardt Stumm

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