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Artikel vom 30.11.2004

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Glosse

Neid, Eifersucht und Intrigantentum

Arthur Cohns «Geburtstag» als «Nagelprobe» für den baz-Chefredaktor Ivo Bachmann

Von Jürg-Peter Lienhard

An keiner Grenze wird so raffiniert geschmuggelt, wie an der Altersgrenze. Eine alte Weisheit über die Grauzone von Lebenslüge, Eitelkeit und Opportunität. Die Altersgrenze ist deshalb etwas Persönliches, ergo etwas Schützenswertes, dem ja die Einwohnerkontrolle von Basel Rechnung trägt, indem sie das Geburtsdatum der Einwohner nicht öffentlich zugänglich macht.

Arthur Cohn soll wesentlich älter sein, als er selbst angibt. Na und? Ist das nicht egal, angesichts seiner Verdienste um Film und Filmkultur? Ist es nicht sein persönliches Recht, sein Alter so anzugeben, wie er sich fühlt und nicht, wie es auf seinem Geburtsschein steht?

Mir sind eitle Leute lieber, als furztrockene «Bescheidene», die hinter ihrer Konformität oft mieseste Charakterzüge verstecken, die ihre Unauffälligkeit als Schafspelz für ihr perverses Privates umhängen.

Ein Schuss Eitelkeit ist immer gut und signalisiert Offenheit, denn sie ist ersichtlich, also auch kritisierbar. Wie blöd aber sind daher Bemerkungen über die «ungewöhnliche» Frisur, über die knallige Krawatte oder über das buntgescheckte Kleid! In Wirklichkeit sind diese Bemerkungen oft nichts anderes als Neid und Eifersucht: Neid, dass jemand anders sich getrauen darf, aus der grauen Normalität hinauszutreten oder gar zu provozieren.

Neid und Eifersucht sind oft gut versteckte Eigenschaften von sogenannten Gutmenschen, die ihre angebliche «Aufrichtigkeit» und «Ehrlichkeit» mit Moralinsaurem kaschieren. Die politische Korrektheit vorschieben, um ihre Intoleranz «unsichtbar» zu machen. Denen das Verbot von «Fräulein» und «Neger» dazu dient, sich weder mit Emanzipation noch mit Rassismus eingehend auseinanderzusetzen.

Schlimm wirds im politischen oder intellektuellen Bereich, wenn wortgewaltig Abgebrühte oder listige Karrieristen sich der «politischen Korrektheit» bemächtigen: Dann ist das neudeutsch «Mobbing» geheissene Intrigantentum angesagt. Dann gibts nur eins: deutsch und deutlich zu werden!

Beispiel: Ein intelligenter und hochbegabter Kolumnist bei der Basler Zeitung hat sich über Arthur Cohns Geburtstags-Eitelkeit mokiert. Sicher nicht aus Neid und Eitelkeit, sondern aufgrund seines Rechts (und Pflicht), eine Prominenz zu karikieren. Prominente stehen im Rampenlicht und werden oft in den Medien gehätschelt, überbewertet und glorifiziert. Eine Glosse über eine menschliche, allzumenschliche Eigenschaft einer Prominenz kann das Image dieser Prominenz wieder auf den menschlichen Boden zurückbringen. Voraussetzung allerdings ist, dass die Glosse von einem Könner geschrieben und nicht von einem Neider ist.

Ob nun Arthur Cohn etwas zu viel in der baz erscheint oder nicht, zu oft bei der Klatschtante «-minu» hochgejubelt wird oder nicht, auch er hat das Recht auf seine Eitelkeit. Es wirft ein Schlaglicht auf die Medienkultur in der Schweiz, wenn die Glosse des baz-Kolumnisten über das «wahre Alter von Arthur Cohn» blitzschnell in die kleine Welt der Deutschschweizer Gazetten Einzug gehalten hat…

Vielleicht war dies doch zu viel Neid und Eifersucht für Arthur Cohn - auf jeden Fall muss er offenbar beim Chefredaktor der Basler Zeitung, Ivo Bachmann, über die «Aufdeckwelle» geklagt oder nur mokiert haben. Wenn alle Medien der Schweiz «vom wahren Alter» berichten - dann darf man von einer «Aufdeckwelle» sprechen. Aber was wurde da «aufgedeckt», «recherchiert», «enthüllt»? Ganz simpel: etwas Eitelkeit, wie sie bei jedem Menschen anzutreffen ist, jedermann auch fraglos zusteht!

Wenn nun Chefredaktor Ivo Bachmann an einer Redaktionskonferenz sagt, mit dieser Glossierung sei genug auf dem angeblich so «wunden Punkt bei Cohn» herumgeritten und die weniger begabten Redaktoren sollen sich das hinter die Ohren schreiben, dann hat das nichts mit mangelnder «Wasserdichte der hohen moralischen Autorität» des Chefredaktors zu tun, sondern schlicht mit seiner Auffassung von menschlichem Anstand: Das Herumreiten auf dieser Banalität hat nämlich überhaupt nichts zu tun mit einer «hochwertigen Auffassung über den Recherchier-Journalismus».

Hingegen ist das Kolportieren dieser Äusserung Bachmanns als «Maulkorb der freien Meinungsäusserung» oder gar der «Informations-Verhinderung» nichts anderes als Mobbing - als Intrigantentum mit dem Zweck, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Den persönlichen Geschmack des Chefredaktors bezüglich Menschenwürde als «medienpolitisch fragwürdig» hinzustellen - der eigentlich wahre Maulkorb und der Versuch, die Integrität Bachmanns zu untergraben!

Überhaupt: «Recherchier-», «Aufdeckungs-» und «investigativer» Journalismus sind häufig nur andere Begriffe für Dreckschleudern. Und meist auch Eingeständnis von minabler Berufsauffassung, deren einziger Zweck es ist, jemanden an den Pranger zu stellen, kaltmachen oder sich einfach plump zu rächen.

Überflüssig zu sagen, dass ich nicht fürchte, falsch verstanden zu werden oder Beifall von der falschen Seite zu erhalten: Eine Recherche, die ein gesellschaftsrelevantes Thema publik macht, ist damit nicht gemeint. Aber es braucht dazu mehr Arbeit, mehr Bereitschaft zu profunder Abklärung, als sich viele der «ernannten» Journalisten machen. Ganz im Gegenteil zu den «selbsternannten» Journalisten, denen das Thema unter den Nägeln brennt, und die vor allem von menschlichem Anstand und nicht von ehrgeiziger Intrige geleitet sind.

Von Jürg-Peter Lienhard


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