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Abschaltung

Artikel vom 14.08.2004

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Für Sie gesehen

Edelkitsch für Milliarden

Ein paar Augenblicke in das Eröffnungsspektakel von Athen 2004 geguckt

Von Jürg-Peter Lienhard



Griechische Götter in Opa-Unterhosen - mal was Neues - und Lächerliches dazu…

Götter, Gräber und Gelehrte waren die Hauptpersonen am Eröffnungsspektakel Athen 2004, bevor die Hundertschaften von Athleten aus aller Herren Ländern in die Arena einmarschierten. Doch gleich vorweg seis geklagt - so sehr mich auch die Spektakel-Regie interessierte - ich zappte zunächst ein bisschen rum, bis ich ganz abschaltete: So viel Kitsch beim Dargebotenen und so viel Ungelehrtes beim Kommentar aufs Mal konnte ich nicht ertragen.

Da war mal zuerst das Gespann vom Schweizer Fernsehen DRS: Werner van Gent und Bernhard Turnheer - ein Gespann, das gegensätzlicher nicht sein kann. Werner van Gent, der gerne beim Reden mit dem «S» anstösst, womit er sich untrüglich als Holländer verrät, ist der politische Berichterstatter für Griechenland und die Türkei von Radio und Fernsehen DRS. Dort gehört er zu den profiliertesten Journalisten von «Echo der Zeit» und «Tagesschau». Er ist ein Profi der Oberklasse, und seine Kenntnisse von Griechenland und der Türkei vermittelt er seit Jahren in scharfsinningen Analysen und Kommentaren.



Werner van Gent - «unser Mann in Athen» - braucht sich für seine Kommentare nicht zu schämen, auch wenn er kein «Sport»-Reporter ist. Das war kein Thurnheer-Gschnorr, wie er sachkundig über griechische Mythologie und über die Hintergründe der Eröffnung berichtete.

Werner van Gent schien es äusserst leicht zu fallen, die metaphorischen Showelemente des Eröffnungsspektakel zu kommentieren; er wirkte auch sattelfest in der griechischen Mythologie. Und das war interessant! Doch immer wieder wurde er unterbrochen von dem offenbar unheilbar profilierungssüchtigen Turnheer mit seinem unsympathischen Timbre einer Zürischnorre - keine Kenntnis, keine Vorbereitung, sondern nur Gschnorr. Und damit nicht genug, er wollte van Gent stets dreinreden, doch dieser erzählte souverän und professionell weiter.



Ein entzückender Regie-Einfall: Die drei «Säulen»-Damen sind aus Fleisch und Blut, obwohl in Marmorweiss getüncht.

Schliesslich trat eine schwangere Frau in den Mittelpunkt des Showgeschehens; sie sollte metaphorisch Geburt und Erneuerung darstellen. Nun fragte der Dummkopf Turnheer doch in seiner Simplizität: «Ist die „echt“ schwanger?» Wiederum zeigte sich van Gent von der intelligenteren Seite: er überhörte diese Frage, die ja vom Geschehen später selbst beantwortet wurde. Apropos Dummkopf: Ein chinesisches Sprichwort besagt: «Während man auf den Mond zeigt, guckt der Dummkopf auf den Finger»…



Guckt auf den Finger, wenn man ihm den Mond zeigt: Bernhard Turnheer, Berufszürcher.

Das war der Moment, als ich zum welschen TV umschaltete - doch die redeten zwar weniger aufdringlich, aber nicht gerade informiert. Dass ich dann ganz abschaltete war nach dem Vorüberziehen einer reizenden Galerie von griechischen Statuen, allesamt die Göttinnen und Götter der griechischen Mythologie darstellend. Die Figuren in Marmorweiss von der Scheitel bis zu den Füssen irritierten zunächst, weil man sie für hellenische Skulpturenkopien hielt. Doch beim zweiten Blick sah man, dass sie sich bewegten, ja dass es komplett eingeweisselte, lebende Menschen-Darsteller waren. Van Gent wusste von jeder Figur, welche Gottheit oder welche Muse sie darstellte.

Doch dann kam der Moment des Kitschs - die berühmte Faust aufs Auge: Wen auch immer wir als griechische Gottheit in unserem Gedächtnis gespeichert haben, die war - zumal, wenn es um athletische Figuren ging - splitternackt, füdliblutt, so wie sie nur ein griechischer Bildhauer erschaffen konnte. Doch diese in der griechischen Sport-Arena des 21. Jahrhunderts trugen alle Unterhosen; Opa-Unterhosen…

Da wurde dem Milliardenpublikum in der ganzen Welt vorgeführt, dass Nacktheit etwas Obszönes ist. Ok, wenn dies dann schon allgemeine Moral sein soll, dann müsste Herr Bush doch auch eine Unterhose übergestreift haben, wenn er in die Öffentlichkeit tritt - eine Unterhose über seinem Kopf!! Oder etwa nicht, oder doch? Oder wie, oder was…

Von Jürg-Peter Lienhard


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