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Artikel vom 28.12.2012

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Basel - Kultur

Verpfuschte Vernissage der Basler Fasnachtsplakette 2013

Auf Facebook und auf der online-site «fasnacht.ch» wurde das hochpolitische Motto «Zu mir oder zu Dir?» vor der Vernissage verraten

Von Jürg-Peter Lienhard



Die Spannung war von Spielverderbern verpfuscht worden - dafür ist die Fasnachtsplakette 2013 von Kurt Walter «schön» und hochpolitisch notabene… foto@jplienhard.ch 2012


Die vom Grafiker und Schauspieler Kurt Walter entworfenen Basler Fasnachtsplakette 2013 zirkulierte schon seit Weihnachten auf Facebook. Die Spannung, mit der bisher jedes Jahr Journalisten und eine Stunde später die Cliquen-Obmänner auf die Lüftung des normalerweise bestgehütetsten Fasnachts-Geheimnisses schon Monate zuvor gefoltert werden, war durch eine Internet-Panne schon vor der Vernissage verflüchtigt.



Und das isch si - vo Noochem…

Soll man sich lustig machen oder es nur lustig finden? Nein, es ist ziemlich peinlich. Und erst recht nicht lustig ist, wie es zur Panne kam: Denn diese hat einen höchst trivialen Grund, wiewohl die Basler Fasnacht selbst kein trivialer Anlass ist und lustig schon gar nicht (wie andernorten). Der Grund ist noch nicht abschliessend geklärt, aber alles deutet auf einen Bedienungsfehler in der Internet-Kommunikation…

Ja, die jährliche Schlagzeile vor Silvester «Si isch duss!» wirkte an diesem Freitag, 29. Dezember 2012, an der sogenannten Blagedde-Vernissage im Volkshaus, so fade, wie die alte Fasnacht vom Vorjahr. Die Stimmung war denn auch so, wie sie von den Spielverderbern beabsichtigt war: nahe am (glücklicherweise vorbeigeschrammten) Weltuntergang. Nur, dass der Schöpfer der Fasnachts-Plakette 2013, Kurt Walter, mit bitterem Humor und das Comité mit trockenem Pragmatismus reagierten.



Der Künstler und sein Entwurf: Kurt Walter. foto@jplienhard.ch 2012


Wenn man sich aber vor Augen hält, was wir mit diesem Teufelszeug Computer und Internet alles missraten lassen können, wird einem mulmig. Angesichts dessen, dass ein winziger Programmfehler vielleicht gar eine Atombombe zünden könnte, müsste man sich halt gleichwohl glücklich zeigen, dass es hier «nur» um eine Indiskretion in Zusammenhang mit einem «Volksvergnügen» ging. Also: Wir sollten uns mehr Gedanken darüber machen, was wir von Robotern uns alles gefallen lassen müssen, was von Computer-Automatismen für Gefahren für den Alltag, für eine Stadt, für die Menschheit ausgehen.

Ich denke nicht nur an Skimming bei Bankomaten, sondern auch - das hat mir ein Arzt plausibel gemacht -, dass Roboter schon im Unispital am operieren sind, aber dass ein guter Operateur mit den Fingern immer noch besser «fühlt», während der falsch programmierte Roboter statt in den Krebs in die Arterie schneiden könnte… Oder denken Sie an die Warteschlaufen am Telefon, womit uns Roboter daran hindern, mit einem menschlichen Kundenbetreuer ein Problem besprechen zu können.

Beim Lamento um die Panne könnte noch fast das Motto der kommenden Fasnacht untergehen. Und dabei handelt es sich um ein ungewöhnlich hochpolitisches, vielleicht gar visionäres: Kurt Walter entwarf einen Baselbieter «Kienbäsen»-Träger, der einen Steckenlaternen-Träger im Kostüm der «Alte Basler Dante» hält (oder gar umarmt…). Vielsagend, gewagt, aber eigentlich genau so witzig, wie auch sehr typisch baslerisch fasnächtlich, als eine doppelsinnig zu verstehende «Ernsthaftigkeit». So, wie eben der Basler Humor typisch ist: Die Doppelsinnigkeit versteckt sich hinter dem buchstäblichen Wort, aber ist für den eingeweihten Adressaten ganz anders zu verstehen…



Wurde um die den Überraschungs-Effekt betrogen: das belämmert dreinblickende Comité hielt die kürzeste Pressekonferenz seit Jahren ab… foto@jplienhard.ch 2012


Zumal das Sujet «Zu mir oder zu Dir?» eine echte Herausforderung sowohl für Gegner wie auch Befürworter eines wie auch immer konstruierten Zusammengehens der beiden Halbkantone ist. Nämlich, wie Gegner oder Befürworter das Motto aufnehmen, wie mit «baslerischem» Humor sie parieren. Denn das hat Comité-Obmann Chrisoph Bürgin mit seiner Teilnehmer-Statistik an den Fasnachten der letzten Jahre eindeutig belegen können: Die jeweils um die 450 «Einheiten» - sprich: Cliquen, Wagen, Chaisen, Schyysdräggzygli, Guggemusige usw. - werden von Obmännern repräsentiert, die je zur Hälfte im Stadt- und Landkanton zuhause sind - nebst 41, die ausserkantonal und zwei sogar im Ausland wohnhaft sind.

Ferner zeigt sich die Adressenlandschaft der einzelnen Aktiven fast ziemlich genau gleich, mitunter mit dem doch immerhin eindrucksvollen Faktum, dass genau so viele Aktive auf dem Land wohnen, aber in Basel aktiv Fasnacht machen, während in Basel Wohnhafte mitunter an den «Bauernfasnachten» weit über den stadtnahe Speckgürtel hinaus regelmässig teilnehmen. Und auch das Comité trifft sich regelmässig mit den Lieschtlemer Kienbäse-Verantwortlichen - und haben es nicht nur gesellig, sondern auch ausgesprochen freundschaftlich miteinander.



Das können die beiden einfach perfekt: Alexander Sarasin, der Schnitzelbangg-Dichter von höchsten Fasnachts-Gottesgnaden und Kurt Walter der schauspielernde Grafiker, die Motto und Blaggedde im Duett besingen. foto@jplienhard.ch 2012


Darum sei hier dazu ausnahmsweise wörtlich wiedergegeben, wie das Comité die wirklich sehr schön gewordene Plakette 2013 von Kurt Walter interpretiert - politisch korrekt, aber eben sehr politisch und darum «heiss»:

Kurt Walters Plakette zeigt zwei Fasnachtsfirguren, eine junge alte Tante aus Basel mit einer «Stäggeladäärne» umgarnt vom Baselbieter «Chienbääse-Drääger» aus dem «Stedtli». Im Gleichschritt gehen sie zusammen an die Fasnacht. Die Baslerin flötet dem Landschäftler etwas ins Ohr. Er scheint fest entschlossen zu sein, nicht locker zu lassen und sie mitzunehmen. Ob sie will oder nicht? Sind die zwei ein Liebespaar? Wir wissen es nicht. Es scheinen zwei gleichberechtigte, starke Figuren zu sein. «Zu mir oder zu Dir» ist die Frage.

So endet die Interpretation des Comités frei nach Shakespeares Hamlet, der zweideutig orakelte: «To be or not to be». Wie sinnig…

Füglich darf man sich also später mal fragen, ob es die Basler Fasnacht gewesen sei, die dereinst die beiden Halbkantone mit typischem - nordwestschweizerischem - Humor auf die Narretei der lokalpolitischen Unversöhnlichkeit zweier so eng wirtschaftlich und kulturell verstrickten Kantone gelüpft hat? Immerhin ein Augenzwinkern im Narrenkleid. Und Narren sagen bekanntlich zusammen mit Kindern die Wahrheit…

Und doo grad no das, was der geniali Alexander Sarasin zämme mit em ebesoo geniale Kurt Walter brinzlet hänn - s isch heerlig syydig gsait:

Zu mir oder zu dir?

BL Bääse, Füür, i kchenn kei Schmäärz.
BS Und was sait drzue dy Häarz?
BL Einsam ischs bim Waagebau.
BS Also dorum: «Buur suecht Frau»?

BL E Stedtere! Ja, hei die Charme?
BS Die kemme wien e Biine-Schwarm.
BL Halt, ha doch elni kchennt.
BS Und vo däre hesch di trennt.
BL Gopferdori, machsch mi schyssig?
BS Joo, syt achtzähdreiedryssig.
BL Dasch doch schon e Wyyli häär
BS Und s Bortemonee isch jetze läär.

BL Du loos, i han e Maitli gsee.
BS Jä, z Basel unde? Wottsch jetz mee?
BS Z Basel an mym Rhy
frogsch si also gly
BL Sääg emool chunnsch du zu mir
oder gönge mir zu dir?

BL/BS Mir wei zäämme, mir wänn zämme sy!

BL Z Lieschtel? - Meinsch du ihre gfallts?
BS Nai) si will mit dir uf d Pfalz.

BL Mir zünde zerscht di Bääse
und denn s Ladäarnli aa.
Mer hoffe, dass dä Funkche
d Idee entflamme chaa.
Zerscht s Füür bi öls im Stedtli
do wärde beidi bleich
BS und zämme denne ab in d Stadt
s isch ändlig Morgestraich!

BL Die Basiere, die isch my Spätzli
BS lschs ächt mee als s FasnachtsSchätz(i?
BL Hejoo drnoo, I will si nää
BS und das wird no Theater gää.

BS Erschte Aggt: me mues si haa!
Si isch vom Walter Kurt, däm Maa.
Und s Comité sait, s mues so sy
vo Schönebuech bis do am Rhy,
sygs am Tschoope, sygs am Graage
sottsch d Blaggedde immer draage!


S Fasnachts-Comité

Von Jürg-Peter Lienhard


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