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Artikel vom 12.05.2004

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Theater

Georges Delnon, neuer Basler Theaterdirektor

Ein Engadiner mit welschem Charme

Nach einer Serie Deutscher, nun seit Düggelin wieder ein Schweizer, der das bisherige Niveau trotz Sparzwang weiterführen will

Von Jürg-Peter Lienhard



Georges Delnon, der neue Basler Theater-Direktor, bei seiner Vorstellung im Foyer des Schauspielhauses. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2004

BASEL.- Erwartungsgemäss kam diese Frage an der Vorstellung des neuen Basler Theaterdirektors an der Pressekonferenz vom Mittwoch, 12. Mai 2004, zuerst: «War der Neue der Wunschkandidat?» Und überraschenderweise antwortete der Präsident der Findungskommission, Rudolf Grüninger: «Georges Delnon kam rasch in die engere Wahl und wurde einstimmig noch lange vor Ablauf des Findungsprozederes auserkoren.»

Delnon wird somit ab der Spielzeit 2006/07 die Nachfolge des jetzigen Direktors Michael Schindhelm übernehmen. Doch bereits Ende 2004 wird er sich schrittweise ins neue Amt einarbeiten, wie Grüninger erklärte.

«Persönlichkeit» gab den Ausschlag

An der Pressekonferenz war eine ganz stattliche Anzahl Medienleute ins Foyer des Schauspielhauses gekommen. Peter Wyss, der Präsident der Theatergenossenschaft, und Rudolf Grüninger nahmen Delnon auf dem leicht erhöhten Podium in ihre schützende Mitte. Wyss erklärte zu Beginn, dass nicht nur der Leistungsausweis Delnons, sondern dessen Persönlichkeit und seine gut verankerten Beziehungen zur Wahl geführt hätten. Möglich, dass seine Persönlichkeit eben auch mit seiner Herkunft zu tun hat: Delnon ist Engadiner und mit der französisch-schweizerdeutschen Sprache aufgewachsen.

Georges Delnon leitet zurzeit das Staatstheater Mainz, wo sein Vertrag zwar bis 2010 läuft, der aber laut Wyss in einvernehmlicher Weise vom dortigen Verwaltungsrat für den Abgang Delnons im 2006 aufgelöst wird. Wyss bezog sich auf eine Lokalzeitung, die Delnons Wahl aus der Kandidatenschar als Nummer zwei bezeichnete. Delnon selbst sieht eine Nummer zwei als Willens-Chance, zur Nummer eins aufzurücken.

Delnon ist sich über die Finanzlage im klaren

Bei seiner eigenen Vorstellung erklärte Georges Delnon, dass er sich über die finanziellen Vorgaben des Theater Basel im klaren ist. Gleichwohl sei er nicht ein «Nick-Esel», dafür aber bereit, über die Rahmenbedingungen zu diskutieren. Bei alledem sei er überzeugt, dass das hiesige Theater für das Image der Stadt Basel in Europa eine enormen Rolle spiele.



Georges Delnon «gesandwicht» zwischen dem Präsidenten der Tehatergenossenschaft, Peter Wyss (links) und dem Präsidenten der Findungskommission, Rudolf Grüninger. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2004

Er betonte zudem deutlich, dass er auch in Mainz mit Sparvorgaben konfrontiert worden sei, dortselbst aber vor allem nicht am Personal gespart habe. Er wolle versuchen, mit diesen Vorgaben kreativ umzugehen. Er erwarte ein deutliches Bekenntnis, dass ab 2006 klare finanzielle Bedingungen vorhanden seien.

Deutsch und französisch als Muttersprachen

Delnon spricht ein perfektes Bühnendeutsch, allerdings nicht so scharf prononciert wie seine Vorgänger aus dem hohen Norden. Seine einfachen, klaren und frei von Schaumwörtern gesprochenen Sätze kann man durchaus einen gewissen Charme entnehmen, den er aus seiner Zweisprachigkeit schöpft und wohl beim Publikum hierzulande gut ankommen dürfte.

Allerdings sind seine Vorab-Komplimente an Basel auch ein Hinweis, dass er das «anders Ticken» der Rheinstadt noch nicht erfasst hat und bald merken dürfte, dass Schmeicheleien zwar gerne gehört, aber stets mit misstrauischer Reserve angenommen werden…So sagte er beispielsweise, dass die Schweizer «die besten Europäer» seien.

«Dreiländereck» dreimal genannt

Immerhin hat er mehrmals den Begriff «Dreiländereck» verwendet, was ihm als Bilingue gut ansteht. Obwohl er noch gar kein Programm nennen kann, sagte er auch, dass er sich vorstellen könne, Basel mit der europäischen Theaterwelt zu vernetzen. Diese Aussage ist zumindest interessant vor dem Hintergrund, dass das jetzige Basler Theater bereits mit anderen in Europa, wie beispielsweise mit demjenigen von Salzburg kooperiert. Doch sei ihm Basel ein eigenes Profil entwickeln zu lassen, vordringlich.

Rudolf Grüninger, der Präsident der Findungskommission, bezeichnete die letzte Runde zum Kandidaten Delnon als eigentlichen «Kulturtrip». Man sei bei der Findung ausgesprochen «progressiv» vorgegangen und habe über 100 Arbeitsstunden in der Kommission verbaut.

Schindhelm hat Unterstützung zugesagt

Er schätze sich besonders glücklich, dass Michael Schindhelm den Neuen unterstütze und ihm hilfreich bei der Ablösung ab 2004 zur Seite stehe. Delnon stehe felsenfest hinter dem Ensemble-Gedanken. Dass er Schweizer sei, sei aber einfach ein «zusätzliches Plus».

Natürlich ist es noch zu früh, über Inhalte zu reden, was einige der Medienleute nicht ganz begreifen wollten. Doch liess sich Georges Delnon entlocken, dass er insbesondere die Oper in Zürich als Konkurrenz ansehe - aber sie entspreche nicht seiner Ästhetik. Immerhin könne Basel mit einem sehr guten Orchester brillieren.

«Sponsoring» kein Tabuthema

Selbst vor der geöffneten Falle der Nomenklatur liess er sich nicht auf Spekulationen ein, sondern antwortete knapp: Ob er eher Ballett oder doch eher Tanztheater sagen würde, sagte er bestimmt: «Thanztheater». Und ob er lieber Oper oder lieber Musiktheater vorziehe, sagte er: «Musiktheater».

Auch Sponsoring hält er nicht für ein «Tabuthema». Er werde «offensiv auf potentielle Sponsoren zugehen», meinte er. Warum er sich aber auf so blöde Fragen wie «Theater und FCB» einliess, soll hoffentlich nicht heissen, dass er bei den Fussball-Deppen scharwänzelt!

Peter Wyss fügte noch an, dass die Regierung und das Parlament nun zwei Jahre Zeit haben, die Finanzen zu klären. Was die Zuschauerzahlen in Basel betrifft, meinte er, hier würden nur die verkauften Karten gezählt - was eine andere Zählweise als in Deutschland bedeutet, wo auch Freikarten bei der Frequenz dazugezählt würden. Wenn man in Basel ebenfalls die Freikarten (Presse, Schauspieler-Kollegen, Theaterleute) einbeziehe, komme man gut und gern auf über zehn Prozent mehr Besucher pro Vorstellung.

«Vorsichtig, sauber und modern»

Auf die Frage, was denn der Neue bisher geboten habe, wo der doch hierzulande eher unbekannt ist, zählte Grüninger eine ganze Reihe von Vorstellungen auf, die die Findungskommission in Mainz besucht hat. Dabei sei aufgefallen, dass diese «vorsichtig, sauber und modern gearbeitet waren und weder ausgeflipptes Theater noch Theater in Unterhosen» gewesen seien.

Delnon liess sich diesbezüglich nicht aufs Glatteis führen, als ein Journalist nachhakte, ob er denn seine Arbeit selbst auch als «vorsichtig, sauber und modern» bewerten würde. Nein, meinte Delnon souverän, dies seien die Worte Grüningers gewesen; er hätte sich sicher nicht so ausgedrückt…

Basel geniesst in der Theaterwelt sehr guten Ruf

Damit erschöpfte sich die Fragerei, und die elektronischen Medien begannen den armen Neuen mit Interviews zu nageln. Aus der Anwesenheit doch recht prominenter Feuilleton-Redaktoren aus dem Ausland, die mitunter recht weit zu der erst am Dienstag, 11. Mai 2004, nachmittags, höchst kurzfristig und überraschend einberufenen Pressekonferenz angereist kamen, darf fraglos geschlossen werden, dass Basel in der Theaterwelt doch einen sehr guten Ruf geniesst!

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

Communiqué der Theatergenossenschaft Basel im PDF-Format

Curriculum von Geroges Delnon im PDF-Format


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