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Artikel vom 25.10.2009

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Ottokars Cinétips

Schuld, Sühne und Strafe

Ein Klima der Angst und Einschüchterung herrscht in Michael Hanekes neuem Werk «Das weisse Band», in dem ein reformierter Pfarrer und andere in einer deutschen Dorfgemeinschaft den Boden für kommende Gewalt ebnet

Von Ottokar Schnepf



Der reformierte Dorfpfarrer unterzieht seine vier Kinder einer strengen, stellenweise sogar diktatorischen Disziplin, deren Folgen im National-Sozialismus eskalieren werden.

Im Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs tritt ein junger Lehrer in einem norddeutschen Dorf seine Stelle an. Seine Schüler und deren Familien werden ihm immer unheimlicher, denn es passieren geheimnisvolle Anschläge auf Bewohner.

Der Dorfarzt stürzt mit seinem Pferd über einen von Unbekannten gespannten Draht. Der Sohn vom Gutsherrn wird im Wald misshandelt aufgefunden. Ein behinderter Jüngling wird ebenfalls Opfer einer anonymen Gewaltakt. Die Verdächtigungen untereinander wirken in der Dorfgemeinschaft wie ein schleichendes Gift.

Der Lehrer vermutet die Schulkinder hinter den Schandtaten. Er unterbreitet seinen Verdacht dem protestantischen Dorfpfarrer. Dieser hat dafür wenig Verständnis und droht ihm bei Weiterverbreitung seiner «infamen Unterstellungen» mit dem Verlust seines Lehrerberufs.

Und während der Geistliche weiterhin an seinen eigenen Kindern ein massives Strafsystem durchzieht, kulminieren im Dorf Brandschatzungen und Kindsmisshandlungen, werden Frauen von ihren Männern gedemütigt und terrorisiert.

Niemand wird persönlich schuldig gesprochen in diesem Film, der laut Regisseur Michael Haneke («Benny's Video», «Funny Games», «La Pianiste») «ein filmischer Diskurs über Autorität, Disziplinierung und ihre Folgen» ist. Mit den Folgen wird die ein Jahrzehnt später folgende Nazizeit angedeutet: Erziehung zum Duckmäusertum macht Menschen zwangsläufig bestialisch.

«Das weisse Band» ist ein sehr pessimistischer Film; er zeigt, mit welcher Voraussetzung man in das Chaos zurückfallen kann, aber es gibt im Film neben dem Unmenschlichen auch ein Mitgefühl für die Menschheit.

Michael Haneke hat in Schwarz-Weiss gedreht, sein Film gewinnt dadurch eine besondere Ästhetik, wie man sie leider nur noch sehr selten im Kino zu sehen bekommt. Trotzdem, oder vielleicht gerade auch deshalb, wurde Hanekes neuestes Werk in Cannes die Goldene Palme zugesprochen.

Besonderes Lob verdienen auch die mitspielenden Jugendlichen verschiedenen Alters. Sie wirken beinahe unheimlich echt und bestätigen einmal mehr François Truffauts Urteil: Kinder sind die besten Schauspieler.

Von Ottokar Schnepf


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