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Artikel vom 20.07.2009

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Rubrikübergreifendes

Keine Sauregurke!

Haben Sie Augen zum Sehen?

Wenn Sie nicht sehen können, dann können Sie es derzeit lernen - im öffentlichen Verkehrsmittel und grenzüberschreitend entlang dreier Transitstrassen im Dreiländereck

Von Jürg-Peter Lienhard



Wohin das Auge schweift, gibt es keine Grenzen - auch nicht in der Grenzecke des Dreiländerecks: Ungewöhnliche Rahmen in den öffentlichen Bussen der Transitstrecken sollen das Bewusstsein der Menschen für ihre Umgebung im trinationalen Raum wecken. Alle Fotos von der Vernissage: HyperWerk Basel © 2009


Ärgern Sie sich über «moderne» Kunst? Haben Sie genug von der «Installationen»-Mode? Haben Sie schon bei den Fettecken von Beuys im Kunstmuseum Basel die Nase gerümpft? Warum nicht die Hirnwindungen und die Sehnerven? Versuchen Sie es doch noch einmal und steigen Sie in einen der Dreiländerbusse der BVB oder gar in den Distribus du District des Trois Frontières, wo man sogar nach der «Naturmethode Wrigleys» (beschrieben in «Mein Name ist Eugen») fliessend Elektrisch reden lernt. Und Sehen. Und Denken. Gratis, notabene, sofern man nicht ein notorischer Schwarzfahrer ist…

Die Basler Verkehrs-Betriebe sind immer wieder gut, wenn es darum geht, den Medien im «Sommerloch» eine ungewöhnliche Idee zu präsentieren, damit deren Leser oder Hörer nicht in eine saure Gurke beissen müssen. Allerdings diesen Sommer mit gehöriger Verspätung, denn die Aktion, die hier beschrieben wird, ist schon zu Beginn der Ferien angelaufen.

Nichtsdestotrotz ist es nicht zu spät, um Sie hier auf den Geschmack zu bringen, Ihnen gewissermassen auf den Sehnerv zu trampeln. Das «Institut HyperWerk» von der Hochschule für Gestaltung und Kunst der Fachhochschule Nordwestschweiz hat die Idee ausgereizt, mittels «Installationen» arglosen Bus-Passagieren das Sehen beizubringen. Die Idee hat jedenfalls etwas für sich: Wer täglich im Bus fahren muss, kann gut beobachten, wie müde, uninteressiert oder gar hässig die Blicke der meisten Passagiere scheinen tun, und, wenn überhaupt, zum Fenster hinaus irgendwohin, aber meist stur geradeaus parkiert sind.




Sie wissen es ja selbst, dass die Tramplakätchen keine spannende Lektüre bieten, weil zu schlagwortig kurz, und mehr als 20 Minuten Lesen in den rollenden Schüttelbechern, da vergeht einem die Lektüre, egal ob dieser oder ein anderer Titel, ja auch schöne Frauenbeine sind heute bei den zunehmenden Massen von Übergewichtigen auch nicht in jedem Bus anzufreuen…

Dankbar darf der sonst gelangweilte Passagier der BVB, dem Distribus und der Linie nach Weil sein, was die Idee von «HyperWerk» betrifft: Die Lektion «Sehen» dauert länger als jede Busfahrt im Dreiländereck, wenn man sie konzentriert und lernwillig angeht.

Viele werden wohl erstmals lernen, dass sie nicht nach Bangkok oder auf die Seychellen jetten und das Klima aufheizen müssen, um etwas zu erleben, sondern dass man schon hierzulande, genauer im Dreiländereck, Erlebnisse haben, Entdeckungen machen kann, die vom täglich Gewohnten oder vermeintlich Gewohnten schön abweichen. Die «HyperWerk»-Kreativen sagen das etwas papierener: «Transit- und Industriegebiete sind aus der Sicht der Stadtbewohner oft Unorte – Orte die gar nicht zum Verweilen gemacht sind. Dennoch haben diese urbanen Räume ihre eigene Ästhetik und Bedeutung.»

In diesem «Transitraum» wollten die Initianten von «HyperWerk» von Passanten wissen, wie diese ihre Umgebung wahrnehmen, aber auch sollten Passanten auf Objekte aufmerksam gemacht werden, die sie sonst gar nicht «sehen». Die dabei fotografierten Beobachtungen sind nun in einer Fotoausstellung entlang den drei Transitstrassen und in den Bus-Linien dieser Strecken öffentlich gemacht worden.

Ein ausgesprochen witziger und «grenzbewusster» Einfall ist, dass die Bilder jeweils auf der anderen Seite der politischen Grenzen ausgestellt werden und durch die Grenzbusse eben auch buchstäblich Grenzen überschreiten.

Sehend Grenzen überschreiten - das ist doch die Erfahrung, das Erlebnis auf dem Arbeitsweg, das Sie mit nach Hause bringen können, wenn Sie nur wollten. Und es stellt erst noch mehr auf, als der Tripper oder gar die Sida als «Mitbringsel» aus Bangkok!




Die Ausstellung ist zu sehen einerseits entlang den Transitstrassen (Elsässerstrasse, Hiltalingerstrasse/Zollstrasse sowie Fussgängerbrücke zwischen Frankreich und Deutschland). Andererseits als mobile Ausstellung in den Bussen der BVB-Linien 50 (Bahnhof SBB – EuroAirport) und 55 (Claraplatz – Kandern) und den Bussen der Distribuslinie 604 (Schifflände – St. Louis). Die Ausstellung dauert noch bis 31. Juli.




Das Vernissage-Lächeln gehört: Valeria Häberli, «HyperWerk»-Diplomandin und Projektleitung Transit.


Übrigens: Was hat die Beuys'sche Feuerstätte mit Valeria Häberlis Installation zu tun? Antwort: Dasselbe, nämlich anders sehen und begreifen, dass es nicht nur eine Realität und erst noch verschiedene Wahrnehmungen gibt. Dass die Feuerstätte inzwischen über 300'000 Franken «wert» ist, hat damit nichts zu tun und ist ein anderes Thema…

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Das illustrierte Projektdossier im Format PDF

• Medien-Communiqué der BVB zum «transit»-Projekt

• Die Bilder, die die Passagiere entdeckten


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