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Artikel vom 17.12.2008

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Ottokars Cinétips

Eine Familie in der Krise

«Tokyo Sonata» zeichnet eindrucksvoll das Porträt des unaufhaltsamen Untergangs einer japanischen Familie

Von Ottokar Schnepf



Getrübte Stimmung am Mittagstisch der Familie Sakasi.


Einmal mehr kommen wir dank «trigon-film» in den Genuss eines japanischen Kinofilms. «Ich arbeite immer nur für die grosse Leinwand, für ein Publikum, das etwa zwei Stunden im Dunkeln auf einem Fleck sitzt. Dort muss der Film funktionieren» - diese Aussage von Kiyoshi Kurosawa könnte auch von Altmeister Akira Kurosawa stammen, mit dem er zwar nicht verwandt ist, doch messen kann er sich mit ihm alleweil.

Und so wie der alte Kurosawa einst Samurai-Erzählungen auf die Leinwand zauberte, widmete sich Kiyoshi in einer Reihe von Filmen dem alltäglichen Gruseln, die mit den herkömmlichen Horrorfilmen nichts zu tun haben.

«Tokio Sonata» hingegen ist von ganz anderer Art und erscheint wie ein Neubeginn innerhalb Kurosawas Filmschaffen: Die Sasakis sind eine ganz gewöhnlich Familie in Tokio, bestehend aus den Eltern Ryuhei und Megumi und zwei Söhnen; Kenji, der jüngere geht noch in die Primarschule, Takasi besucht das College.

Alle vier geraten in eine schwere Krise, als das Familienoberhaupt seinen Job verliert. Die Kündigung versucht Ryuhei für sich zu behalten, er verlässt täglich mit der Aktentasche unter dem Arm die Wohnung wie gewohnt, steht mit vielen anderen Arbeitslosen in der Schlange im Arbeitsamt, muss sich als ehemaliger Leiter einer Büroadministration mit einem Job als Putzmann in einem Shoppingcenter zufrieden geben, wo ihn eines Tages seine Frau entdeckt.

Und während Kenji gegen den Willen seines Vaters heimlich nach der Schule Klavierstunden nimmt, lässt sich der ältere Takasi von der Armee zur Unterstützung der Amerikaner im Nahen Osten rekrutieren. Als zuguterletzt Mutter Megumi in ihrem nicht mehr so trauten Heim von einem Einbrecher überfallen und Gatte Ryuhei auf der Strasse von einem Auto angefahren wird, scheint der Zerfall der Familie vorprogrammiert.

Doch Regisseur Kurosawa lässt am Ende doch noch einen Funken Hoffnung für die gebeutelten Familienmitglieder. Und die Botschaft ist beim Kinobesucher längst angekommen; als Ryuhei seinen Job an einen Chinesen verliert, weil für das Salär vom Japaner drei Chinesen arbeiten werden, und er als Vater den Entscheidungen seiner Söhne hilflos gegenübersteht, widerspiegelt das die heutige Situation Japans, die Kurosawa zwar zynisch beschreibt, aber wohlwollend und warmherzig aus einer internationalen Sicht heraus.

Ryuhei kommandiert seine Kinder mit Autorität herum, aber bei der Arbeit lässt er sich leicht abschieben, und gegenüber seiner Frau als theoretisch gleichgestellter Partnerin mimt er den Tüchtigen und belügt sie gleichzeitig. Die letzte Szene zeigt, was die Familie rettet: die Kunst, im vorliegenden Falle Musik.

Von Ottokar Schnepf


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