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Artikel vom 18.12.2011

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Basel - Allgemeines

Mit Redner-Manuskripte und Fotoreportage

«Blocher raus aus dem Nationalrat!»

SP-Nationalrat Beat Jans forderte an der BaZ-kritischen Demo von «Rettet Basel» den Rücktritt des SVP-Chefstrategen aus dem Parlement

Von Redaktion



Plakate mit Witz so weit wie das Auge reicht: BaZ-Demo auf dem Theaterplatz. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011


Dem Aufruf der Internet-Plattform «Rettet Basel» folgten am Samstag, 17. Dezember 2011, mehrere hundert Personen, um auf dem Theaterplatz in Basel gegen die jüngste Entwicklung der Besitzverhältnisse «Basler Zeitung» (BaZ) und der dubiosen politischen Hintergründe zu demonstrieren sowie an einer Protestversammlung teilzunehmen. Es fielen markige, wahre und intelligente Worte - nicht nur aus den Mündern «linker» Redner, sondern auch vom FDP-Mitglied und Präsidenten der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, dem emeritierten Universitätsprofessor für Geschichte, Georg Kreis.



Blochers/Suters Lügen: Ein «Meisterstück» in Sachen Image-Werbung und Leserbindung zum Schaden der Basler Zeitung… Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011



Guy Krneta von «Kunst+Politik» und «Rettet Basel» am Mikrophon spricht zur Protestversammlung auf dem Theaterplatz, der bis zur Elisabethenkirche hinauf besetzt war. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011


Der Theaterplatz war voll; die Leute standen gar bis fast zuoberst auf den Theatertreppen zur Elisabethenkirche. Die vom Verein «Kunst+Politik» um den (Berner) Schriftsteller Guy Krneta Anfang dieses Jahres wegen der Berufung des rechtspopulistischen Chefredaktors Markus Somm und der unklaren Besitzverhältnisse seit dem Verkauf der BaZ ins Leben gerufenen Internet-Plattform «Rettet Basel», hatte neben dem Fasnachtsbrunnen von Jean Tinguely eine gedeckte Bühne mit Lautsprecheranlage aufgebaut.

Das «Trio Infernale» bot kurze Einlagen zwischen den vielen kurzen Statements der Redner, die doch zumeist aus dem von Somm und Blocher angefeindeten «linken» Lager stammten: Beat Jans (SP Nationalrat), Georg Kreis (Historiker), Elisabeth Ackermann (Grossrätin), Rudolf Rechsteiner (alt Nationalrat), Stefan Boss (ehemaliger BaZ-Redaktor), Linda Stibler (Journalistin), Regina Rahmen (Syndicom), Guy Krneta (Autor), Urs Müller (Grossrat), Ueli Mäder (Soziologe). Moderiert und angesagt wurden die Redner von Alfred Schlienger, Kulturjournalist und Mitwirkender bei «Kunst+Politik».



War im letzten Moment zu Versammlung eingetroffen: Soziologe und Universitäts-Professor Ueli Mäder. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011


Die Kundgebung hatten ebenfalls die zumeist «linken» Organisationen unterstützt, darunter die Grüne Partei Basel-Stadt, die SP Basel-Stadt und -Land, BastA!, Jusos Basel-Stadt, Grüne Fricktal, Junges Grünes Bündnis Nordwest, Kunst+Politik. Sie verlief ohne irgendeinen Zwischenfall und ohne Demonstrationszug friedlich. Nur vereinzelt gab es Zwischenrufe (allerdings gepfefferte), die von den Versammelten jeweils mit Lachen quittiert wurden. Doch die Reden wurden mehrheitlich mit starkem Applaus bedacht; insbesondere jene der Nationalräte Beat Jans, Ruedi Rechsteiner und des Historikers Georg Kreis, dessen Partei laut neuster Definition von Christoph Blocher ebenfalls eine «linke» sein soll, oder wenigstens «zum linken Lager gerechnet werden muss»…

Das Publikum konnte sich vor Beginn der Veranstaltung an einem extra aufgestellten Tisch mit Karton und Filzstiften bedienen, um darauf ihre markigen Kreationen von Protestsprüchen aufzumalen. Einige hatten aber Transparente und Schrifttücher mitgebracht, die sich jeweils gegenseitig in Originalität und Kreativität in echt baslerischer Nonchalance übertrafen (siehe Fotoreportage am Ende dieses Artikels).

Moderator Alfred Schlienger stellte zum Schluss fest, dass die Mehrzahl des Publikums aus ebenso ergrauten Häuptern wie seinem bestand, dass sich aber eine bemerkenswerte Anzahl Jugendlicher oder junger Leuten darunter befanden. Dies sei insbesondere bemerkenswert, weil der Trend dahingeht, dass der Anteil der Jungen unter den Zeitungsabonnenten dahinschmilzt.



Alfred Schlienger, der Moderator der BaZ-Demo-Ansprachen. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011


Während die Mehrheit der Reden sich deutlich Luft gegenüber der jüngsten Entwicklung im Basler Pressebereich machten, dürften die nicht minder pointierten, aber doch etwas differenzierten Statements von Jans und Kreis die allgemein vorgebrachten Vorbehalte und Kritik am besten zusammenfassen. Wir haben sie deshalb für die Leser von webjournal.ch eingescannt und am Schluss dieses Artikels angehängt. (Die Manuskripte sind weder gekürzt noch verändert, sondern lediglich mit unbedeutenden Eingriffen zugunsten einer professionellen Typographie angepasst.)

Über ein Jahr herrschte Unklarheit über die seit dem Verkauf der BaZ durch die langjährige Inhaberfamilie Hagemann nachgefolgte Besitzerschaft. Zunächst trat ein Martin Wagner als Herausgeber auf, aber es wurde schnell klar, dass er lediglich den Strohmann für den berüchtigten Tessiner Financier Tito Tettamanti spielte, bis es zum Eklat kam, und angeblich an Moritz Suter, Gründer der in die Swiss eingegangenen Basler Crossair, verkauft wurde. Doch das glaubte niemand angesichts dessen, dass Suters Privatvermögen auf lediglich acht Millionen Franken geschätzt wurde, der Kaufpreis jedoch gegen 160 Millionen Franken betrug, inklusive der enormen Unternehmsschulden.

Und jetzt im Nachhinein steht auch fest, dass Suter die Öffentlichkeit und die Redaktion über die wahren Besitzverhältnisse angelogen hatte. Der Milliardär Christoph Blocher, Chef-Stratege und rausgeschmissener Bundesrat der SVP, war der Dealer. Nach Ruchbarwerden übestürzten sich die Ereignisse: Blocher gab die Unwahrheit zunächst als «Schlitzohrigkeit» zu, indem nicht er, sondern seine Tochter Rahel mit ihrer Firma Robinvest die Aktien gekauft hatte und sie somit «Eigentümerin» sei.

Das Mädchen allerdings konnte kaum über so viel selbst erarbeitetes Geld verfügen, und damit war der begründete Verdacht gegeben, dass eigentlich ihr Vater die Fäden im Hintergrund zog, insbesondere was die Einsetzung des rechtspopulistischen Chefredaktors aus Zürich, Markus Somm, betraf.

Schliesslich trat Moritz Suter als Verwaltungsrat und Verleger der BaZ zurück, und gleichzeitig meldete sich der berüchtigte Financier Tito Tettamanti als neuer Besitzer. Er gab sofort die neue Zusammensetzung von Verwaltungsrat und Herausgeberschaft bekannt, wobei diese Personen, wie der gefürchtete Immobilien-Hai Urs Gribi, der Kleinbasler Gewerbler und SVP-Grossrat Karl Schweizer sowie der Zürcher ex-TV-Moderator aus dem rechtsbürgerlichen Lager, Filippo-Leutenegger, eben durchaus dafür stehen, dass der Leserschaft der Basler Zeitung ein Kurs aufgedrängt wird, den sie so nicht goutieren dürfte und es in Tausenden von Abbestellungen auch bereits zum Ausdruck gebracht hat. Schon nur der Name des neuen Unternehmens, dem die BaZ nun zugehört, spricht Bände, wenn er nicht gar reiner Zynismus bedeutet: Medien Vielfalt…

Fotoreportage von der BaZ-Demo vom 17.12.2011

Alle Fotos: J.-P. Lienhard, Basel © 2011
foto@jplienhard.ch






















Die Reden von Kreis und Jans



Was ist er nun, der Redner Kreis - ein «weiterer Egerszegy» (Blocher-Originalton zum Bundesratspoker vom 13. Dezember 2011), oder ein Mann mit liberaler Gesinnung und Zivilcourage? Davon hat im übrigen tatsächlich auch Frau Nationalrätin Egerszegy (FDP)… Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011


Georg Kreis, Historiker und Präsident der Eidgenösssischen Kommission gegen Rassismus, Mitglied der FDP Schweiz an der BaZ-Demo vom 17.12.2011

(mit freundlicher Genehmigung zum Abdruck auf webjournal.ch)


Das ehemalige Monopolblatt hat bis vor kurzem in Basel eine Sonderstellung gehabt, fast wie der Zolli, der FCB oder ’s Theater. Darum ist es auch speziell wichtig gewesen, wem die Zeitung gehört hat. Seither hat sich die Situation geändert, hat sich auch verbessert: die Leser/innen können wieder vermehrt zwischen unterschiedlichen Angeboten aussuchen. Niemand muss die BaZ lesen.

Allerdings ist es selbst bei der Rest-BaZ nicht egal, wer bei ihr über die Finanzen das Sagen hat. Platzhalter ist noch immer der Blocher-Intimus Somm. Dem seine rechtsnationale Kommentare und seine unliberale Personalpolitik sind dem Helden von Herrliberg offenbar noch immer Millionen-Risiko- oder -Defizit-Franken Wert. Wenn sich der Mäzen Blocher in Basel als Wohltäter engagieren will, soll er doch eher im Zolli ein Pinguin-Ressort oder die Rheinhafen-Überbauung finanzieren.

Es ist einer Demokratie unwürdig, fast möchte man sagen, es sei unschweizerisch, dass ein doch weiterhin einflussreiches Blatt über ein Jahr von einem Dunkelmann beherrscht worden ist, der gerade in dieser Angelegenheit die Öffentlichkeit mehrfach angelogen hat. Und jetzt kommt noch hinzu: Dieser Mann, der in der 2. Weltkrieg-Debatte gegen Juden pauschal hergezogen ist, schreckt nicht davor zurück, in mehrfach beleidigender Weise zu erklären, von den Baslern wie ein Opfer der Judenverfolgungen behandelt zu werden.

Jetzt ist ein neues Gruselkabinett aufgestellt worden, das wie bei George Orwell ausgerechnet unter dem Namen «Medien Vielfalt» eine antiliberale Publizistik finanziert. Das Trauerstück gibt uns aber Gelegenheit, sich weiter zu emanzipieren, d.h. autonom zu bestimmen, welche Mediennahrung man zu sich nehmen will.

Georg Kreis, Historiker


Rede von Beat Jans, Nationalrat der SP-Basel-Stadt, an der BaZ-Demo vom 17.12.2011

(mit freundlicher Genehmigung zum Abdruck auf webjournal.ch)



Beat Jans, Nationalrat fordert den Rücktritt des Lügenbarons Blocher aus dem Nationalrat. Foto: J.-P. Lienhard, Basel © 2011


Liebe BaZ-Leserinnen, liebe immer noch BaZ-Leser, liebe Leidensgenossinnen und Leidensgenossen.

Die Basler Zeitung ist keine Basler Zeitung mehr, sondern ein politisches Projekt von Zürchern.

Blocher, Somm und neuerdings Leutenegger: Der neuste unter den Zürcher Politikern, der die BaZ dirigieren will, heisst Filippo Leutenegger. Er war im Unterstützungskomitee von Ständeratskandidat Blocher und hat gestern im Radio gefragt: «Ja wäre es denn besser, wenn die BaZ durch einen Zürcher Verlag gekauft würde?»

Danke, liebe Zürcher. Es ist schön, dass ihr uns vor euch selber retten wollt!

Die Antwort auf diese Frage lautet übrigens «Ja». Es ist immer noch besser, die BaZ ist in den Händen von Zürcher Verlegern als in den Händen von Zürcher Politikern.

Wir wollen keine SVP-Zeitung. Wir wollen für SVP-Werbung nicht bezahlen müssen.

Hört auf, unsere Zeitung kaputt zu machen, hört auf, die Leser mit euren politischen Botschaften zu beleidigen und zu vertreiben. Hört auf uns zu missionieren, und hört auf uns anzulügen (verseggeln).

Christoph Blocher hat gestern in der NZZ zugegeben, dass er sich in bezug auf die BaZ schon ein bisschen schlitzohrig benommen hat.

Nein, Herr Blocher, es ist mehr als schlitzohrig. Es ist ein grober Angriff auf die Demokratie, wenn sie als Politiker die politische Berichterstattung verdeckt steuern. Es verletzt den demokratischen Anstand grundlegend. Es ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Rücktrittsgrund. Sie haben nichts mehr im Nationalrat zu suchen, Herr Blocher!

Wenn die Bevölkerung nicht weiss, wer die Medien kontrolliert, dann ist die Demokratie in Gefahr.

Wir lassen uns nicht mehr verseggeln, auch nicht von den neuen alten Besitzern, die mit Blochers Verlustgarantie agieren. Ihnen geht es genau so wenig um das Wohl der BaZ oder gar das Wohl Basels. Ihnen geht es um die Verbreitung ihrer politischen Ansichten. Sonst hätten sie Markus Somm schon lange entlassen. Kein Unternehmen hält einen Chef, der seine Kundschaft permanent beleidigt.

Jetzt ist Zeit zum Handeln. Ich Kündige mein Abo.

Beat Jans, Nationalrat der SP-Basel-Stadt


Von Redaktion

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• NZZ Online: Schlitzohr Blocher

• Rede von Georg Kreis, Mitglied FDP Schweiz

• Rede von Beat Jans, Natinalrat SP-Basel-Stadt


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